{"text": "Mobilisierung von Recht*\n\n\n\u00dcber die Wahrscheinlichkeit des Gangs zum Gericht, die Chance des Erfolgs\n\u00dcber die Wahrscheinlichkeit des Gangs zum Gericht, die Chance des Erfolgs\nund die daraus folgenden Funktionen der Justiz\n\n\nErhard Blankenburg\nErhard Blankenburg\n\n\n\n\n\nZusammenfassung: Auch wenn es rechtliche Regeln f\u00fcr viele unserer sozialen Beziehungen gibt, ist\nZusammenfassung: Auch wenn es rechtliche Regeln f\u00fcr viele unserer sozialen Beziehungen gibt, ist\nes doch unwahrscheinlich, da\u00df man sich in allt\u00e4glichen Sozialbeziehungen auf diese beruft. Bei den\nmeisten Konflikten sind soziale L\u00f6sungsversuche die Regel, das Einholen von Rechtsrat und das\nAnrufen von Gerichten die Ausnahme. Wahrscheinlicher wird die Mobilisierung von Recht und\nGerichten mit gr\u00f6\u00dferer sozialer Distanz wie etwa in einmaligen und anonymen Sozialbeziehungen.\nF\u00fcr den einzelnen unvermeidbar ist sic dort, wo der Konfliktgegner seinerseits Recht mobilisiert.\nJedoch wird auch nach Beschreiten des Rechtswegs immer noch die Mehrzahl aller Prozesse durch\nau\u00dfergerichtliche Einigung oder gerichtlichen Vergleich beendet. Empirische Daten zeigen, da\u00df\ndie Chance von rechtlichen oder alternativen L\u00f6sungswegen, die Kompromi\u00dfwilligkeit oder Hart\u00ad\nn\u00e4ckigkeit der Parteien und der Erfolg eines Kl\u00e4gers weitgehend von der Konfliktkonstellation des\njeweiligen Streitgegenstandes abh\u00e4ngig ist.\n\n\nSummary: As long as there is no third party surveilling obedience to legal norms, it is up to the\nSummary: As long as there is no third party surveilling obedience to legal norms, it is up to the\nparties to invoke law for themselves. But in many situations which are legally relevant, those\ninvolved do not mobilize lawyers and courts. The likelihood of legal action increases with social\ndistance among the (potential) parties, especially in single event relations and in relations with\nstrangers. The paper demonstrates empirically that in the majority of cases those involved look for\ninformal ways of resolving conflicts, it shows in which areas they use quasi-legal institutions, and\nunder which rare circumstances they go to court. Even here giving in or settling the conflict is more\nfrequent than a judicial decision. Whether parties find a compromise and which are their chances\nof success varies with the issue at st\u00e4ke.\n\n\n\n\n1. Modelle rechtlicher Normen\n1. Modelle rechtlicher Normen\n\n\nF\u00fcr Soziologen in der Tradition Geigers ist die Wirksamkeit von Recht erst an den\nF\u00fcr Soziologen in der Tradition Geigers ist die Wirksamkeit von Recht erst an den\nF\u00e4llen der Nichteinhaltung erkennbar, daran, da\u00df seine Normen nicht befolgt werden\noder da\u00df um seine Anwendung Konflikte entstehen. Solange Recht eingehalten wird,\nkann man nicht beurteilen, ob dies einem Verhalten entspricht, das auch ohne norma\u00ad\ntive Regelung eingetreten w\u00e4re: entweder, weil biologische oder technologische Be\u00ad\ndingungen kaum alternatives Handeln zulassen, oder aber weil schon das egoistische\nSelbstinteresse der Handelnden hierzu f\u00fchrt, oder letztlich, weil es keine Gr\u00fcnde gibt,\nvon einem eingelebten Muster der Gewohnheit abzuweichen. Theodor Geiger macht\n\n\n\u2022   Dieser Beitrag ist im Rahmen von Forschungsprojekten zu Rechtsbed\u00fcrfnissen sozial Schwacher\n\u2022   Dieser Beitrag ist im Rahmen von Forschungsprojekten zu Rechtsbed\u00fcrfnissen sozial Schwacher\nin Zusammenarbeit mit Irmela Gorges, Udo Reifner und Fritz Tiemann, zur Rechtsschutz\u00ad\nversicherung in Zusammenarbeit mit Jann Fiedler und zur Arbeitsgerichtsbarkeit mit Siegfried\nSch\u00f6nholz und Ralf Rogowski entstanden. Ihnen danke ich f\u00fcr vielf\u00e4ltige Anregung und Kritik.", "spans": [{"start": 0, "end": 25, "label": "title"}, {"start": 26, "end": 100, "label": "blank"}, {"start": 101, "end": 222, "label": "title"}, {"start": 223, "end": 242, "label": "blank"}, {"start": 243, "end": 262, "label": "author"}, {"start": 263, "end": 363, "label": "blank"}, {"start": 364, "end": 1361, "label": "abstract"}, {"start": 1362, "end": 1460, "label": "blank"}, {"start": 1461, "end": 2294, "label": "abstract"}, {"start": 2295, "end": 2327, "label": "blank"}, {"start": 2328, "end": 2358, "label": "text"}, {"start": 2359, "end": 2441, "label": "blank"}, {"start": 2442, "end": 3104, "label": "text"}, {"start": 3105, "end": 3201, "label": "blank"}, {"start": 3202, "end": 3570, "label": "acknowledge"}, {"start": 3571, "end": 3572, "label": "blank"}]}
{"text": "Zeitschrift f\u00fcr Rechtssoziologie 1 (1980), Heft 1, S. 33-64       \u00a9 Westdeutscher Verlag, Opladen\n34                                     Erhard Blankenburg\n\n\ndeshalb seinen Begriff von ,Recht* daran fest\u00bb ob im Falle seiner Nichtbefolgung eine\ndeshalb seinen Begriff von ,Recht* daran fest\u00bb ob im Falle seiner Nichtbefolgung eine\nSanktion erfolgt1. Nicht die Einhaltung der Norm belegt ihre Geltung, sondern die\nEinhaltung der Sekund\u00e4rnorm, die sich auf die Reaktion im Falle der Nichtbefolgung\nbezieht. \u00bbNormen* unterscheiden sich von blo\u00dfen Verhaltensregelm\u00e4\u00dfigkeiten dadurch,\nda\u00df f\u00fcr den Fall der Abweichung eine Sanktion angedroht ist; Rechtsnormen dadurch,\nda\u00df es f\u00fcr diese Sanktion eigene Instanzen gibt. Die Frage nach der .Mobilisierung von\nRecht* zu stellen, hei\u00dft hier, die Bedingungen zu untersuchen, unter denen diese In\u00ad\nstanzen t\u00e4tig werden.\nIm Falle der Verhaltensnormen des Strafrechts ist die \u00bbMobilisierung von Recht*\nscheinbar eindeutig geregelt: mit der Polizei (bei strafrechtlichen Nebengesetzen mit\nden Ermittlungsbeh\u00f6rden von Finanz\u00e4mtern, Gewerbeaufsichts\u00e4mtern usw.) gibt es\neine eigene Beh\u00f6rde, die f\u00fcr die \u00dcberwachung von Normen, die Entdeckung von Ab\u00ad\nweichungen und das Anrufen von Gerichten zust\u00e4ndig ist. Jedoch ergibt eine Unter\u00ad\nsuchung all derjenigen F\u00e4lle, die \u00fcber die Polizei zur Strafverfolgung kommen, da\u00df\nder weitaus \u00fcberwiegende Teil von dieser nicht selbst entdeckt, sondern von Anzeige\u00ad\nstellern zur Kenntnis gebracht wird. Im Rahmen ihrer eigenen \u00dcberwachungst\u00e4tigkeit\nist die Polizei eh an der Beilegung von Konflikten orientiert, ohne dabei immer eine\nStrafverfolgung einzuleiten, oder aber sie kann entdeckte Straftaten \u00fcbersehen oder\nbagatellisieren, und dabei m\u00f6glicherweise effektivere Sozialkontrolle aus\u00fcben, als\nwenn sie eine rechtliche Strafverfolgung durch Staatsanwaltschaft und Gerichte mobi\u00ad\nlisiert2 . Auch Anzeigesteller beabsichtigen nicht immer, mit der Benachrichtigung der\nPolizei strafrechtliche Verfahren einzuleiten: etwa ein Drittel erwartet lediglich, da\u00df\ndie Polizei die gest\u00f6rte Ordnung wieder herstellt, indem sie z. B. gestohlene Gegen\u00ad\nst\u00e4nde wiederbeschafft, Schl\u00e4gereien schlichtet oder Ruhest\u00f6rungen beendet. Noch\ngr\u00f6\u00dfer ist, wie Bev\u00f6lkerungsbefragungen zeigen, die Dunkelziffer derjenigen F\u00e4lle, in\ndenen die Opfer von Straftaten eine Anzeige g\u00e4nzlich unterlassen3: sei es, da\u00df ihnen\ndas Delikt zu geringf\u00fcgig erscheint, oder aber eine Strafverfolgung zu aufwendig; sei\nes, da\u00df sie in einer pers\u00f6nlichen Beziehung zu dem T\u00e4ter stehen und daher eine soziale\nSanktion dem Anrufen einer Instanz vorziehen; oder aber sei es, da\u00df sie gegen\u00fcber\nPolizei und Gerichten Angst oder Mi\u00dftrauen hegen, so da\u00df sie lieber Distanz zu diesen\nbewahren. Die Frage, ob eine Anzeige bei Polizei und Gericht erfolgen soll\u00bb stellt sich\nzudem nur in F\u00e4llen, wo sowohl die Tat entdeckt, als auch der T\u00e4ter bekannt wird.\nBei dem h\u00e4ufigsten Delikt in der Kriminalstatistik: dem Diebstahl, bleibt typischer\u00ad\nweise der T\u00e4ter in der Mehrzahl der F\u00e4lle unbekannt; \u00fcberwiegend ist dies der Fall bei\nDiebstahl von oder aus Kraftfahrzeugen, noch extremer bei Diebstahl von Fahrr\u00e4\u00ad\ndern oder Mopeds. In solchen F\u00e4llen erfolgt eine Anzeige bei der Polizei oft nicht, um\n\n\n1    Geiger 1964, insbesondere S. 65\u201483.\n1    Geiger 1964, insbesondere S. 65\u201483.\n2    Vgl. Feest/Blankenburg, 1972. Die Konsequenz einer gr\u00f6\u00dferen Dunkelziffer bei den von der\nPolizei selbst entdeckten Straftaten entwickle ich ausf\u00fchrlicher in meinem Beitrag \u00fcber\n,Nichtkriminalisierung als Struktur und Routine', 1976.\n3     Angaben aus einer Befragung von Peter MacNaughton-Smith und Richard Rosellen zur .Be\u00ad\nreitschaft zur Anzeigeerstattung' Manuskript Max-Planck-Institut f\u00fcr Strafrecht, Freiburg\n1978. Der ausf\u00fchrliche Forschungsbericht von Richard Rosellen erscheint in K\u00fcrze unter dem\nTitel .Private Verbrechenskontrolle \u2014 eine empirische Untersuchung zur Anzeigeerstattung',\nBerlin, voraussichtlich 1980.\nMobilisierung von Recht                         35\n\n\nden Proze\u00df der Sanktionierung und damit Effektivierung von Recht in Gang zu setzen,\nden Proze\u00df der Sanktionierung und damit Effektivierung von Recht in Gang zu setzen,\nsondern lediglich um die b\u00fcrokratischen Voraussetzungen f\u00fcr den Anspruch bei einer\nVersicherungsgesellschaft zu schaffen. Bei anderen Delikten ist schon die Entdeckung\nder Straftat sehr schwierig: so etwa bei Ladendiebstahl, \u00fcber dessen tats\u00e4chliche H\u00e4u\u00ad\nfigkeit sich aus der Warenbuchhaltung von Einzelhandelsbetrieben nur unzureichende\nSch\u00e4tzungen anstellen lassen oder aber bei den .eleganter1 zu begehenden Delikten wie\nBetrug oder Unterschlagung, die im Falle eines vollen Erfolges \u00fcberhaupt nicht zur\nKenntnis des Opfers gelangen4.\nTheodor Geiger allerdings hat seinen Ansatz, da\u00df die Wirksamkeit einer Norm am\nbesten bei der Reaktion auf Abweichungen beobachtet werden kann, lediglich an\neinem Modell normativer Regelung: dem von Verhaltensregeln entwickelt. Seine Be\u00ad\ngriffe und Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten lassen sich zwar mit definitorischen K\u00fcnsten auf Rechts\u00ad\nbeziehungen \u00fcbertragen, die dem Modell des .Vertrags* entsprechen. Jedoch wird bei\nden \u00dcberlegungen aus der Sicht eines Normsetzers \u00fcber die Bedingungen der Imple\u00ad\nmentation deutlich, da\u00df der Ablauf rechtlicher Regelungen, die nach dem Modell des\n\u00bbVertrages* vereinbart worden sind, idealtypisch in anderen Begriffen gefa\u00dft ist. Do\u00ad\nnald Black hat dies in einer Gegen\u00fcberstellung verdeutlicht: auf der einen Seite unter\u00ad\nscheidet er Verhaltensnormen, f\u00fcr die es eine \u00dcberwachungsagentur gibt, auf der ande\u00ad\nren Seite Rechtsnormen, die lediglich von einer Partei durch das Anrufen rechtlicher\nInstanzen wie etwa der Gerichte \u00bbmobilisiert* werden k\u00f6nnen. Er bezeichnet die Er\u00ad\nzwingungsstruktur von Verhaltensnormen als \u00bbAutorit\u00e4t*, die dem Modell von Befehl\u00ad\nGehorsam folgen, und in die der Eintritt nicht immer freiwillig und der Austritt nicht\nimmer m\u00f6glich ist; die Erzwingungsstruktur von Vertragsnormen vergleicht er mit\neinem .Markt*, in dem sich prinzipiell Gleiche gegen\u00fcberstehen, die die Regeln ihrer\nInteraktion vereinbaren, darunter auch die Bedingungen des Eintretens oder Austre\u00ad\ntens aus einer solchen Beziehung5.\nAllerdings sind dies idealtypische Gegen\u00fcberstellungen. Der praktische Ablauf der Ent\u00ad\ndeckung und Registrierung von Kriminalit\u00e4t relativiert die Unterscheidung schon wie\u00ad\nder: tats\u00e4chlich sind auch Strafrechtsnormen davon abh\u00e4ngig, da\u00df die Erzwingungsin\u00ad\nstanz von den betroffenen Opfern .mobilisiert* wird; und tats\u00e4chlich besteht Vertrags\u00ad\nfreiheit in unserer Gesellschaft nur noch in Teilbereichen: da K\u00e4ufer und Verk\u00e4ufer\nauf dem Warenmarkt h\u00e4ufig nicht \u00fcber gleiche soziale Macht und rechtliche Kompe\u00ad\ntenz verf\u00fcgen, wird deren Vertragsfreiheit durch eine Normierung der Grenzen allge\u00ad\nmeiner Gesch\u00e4ftsbedingungen begrenzt; da sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in\nsozial unterschiedlicher Position befinden, haben sich beide Seiten kollektiv organi\u00ad\nsiert und sind durch Schutzrechte f\u00fcr die Arbeitnehmer in ihrer Vertragsfreiheit ein\u00ad\ngeschr\u00e4nkt; und da Mieter und Vermieter eine unterschiedlich existenzielle Abh\u00e4n\u00ad\ngigkeit von dem Bestehen eines Mietvertrages haben, werden Mieter vor vertraglicher\nWillk\u00fcr von Seiten der Vermieter gesch\u00fctzt. Soweit f\u00fcr solche Eingrenzungen der Ver\u00ad\ntragsfreiheit ein eigener \u00dcberwachungs- und Erzwingungsstab besteht, kombinieren\ndiese das Modell der autoritativen Normsetzung mit dem der Regelung von Sozialbe\u00ad\nziehungen durch Vertragsnormen.\n\n\n4   Vgl. Blankenburg/Sessar/S reffen, 1978, S. 66-85.\n4   Vgl. Blankenburg/Sessar/S reffen, 1978, S. 66-85.\n5   Black 1973, S. 125 ff.", "spans": [{"start": 0, "end": 156, "label": "meta"}, {"start": 157, "end": 243, "label": "blank"}, {"start": 244, "end": 3213, "label": "text"}, {"start": 3214, "end": 3255, "label": "blank"}, {"start": 3256, "end": 3980, "label": "ref"}, {"start": 3981, "end": 4065, "label": "blank"}, {"start": 4066, "end": 7428, "label": "text"}, {"start": 7429, "end": 7483, "label": "blank"}, {"start": 7484, "end": 7565, "label": "ref"}]}
{"text": "36                                   Erhard Blankenburg\n\n\nIm Rahmen juristischer Analysen wird an die Wirksamkeit solcher Normen die Frage\nIm Rahmen juristischer Analysen wird an die Wirksamkeit solcher Normen die Frage\ngestellt, wie weit die zust\u00e4ndigen Gerichte in ihrer Spruchpraxis solche Schutzrechte\nauslegen oder einengen, oder aber wie weit sich die Polizei bei ihren Eins\u00e4tzen an die\ngesetzlich gesetzten Vorschriften h\u00e4lt. Die Instanzen werden damit selbst am Ma\u00dfstab\nder Erf\u00fcllung von Verhaltensnormen gemessen. Wollte man sie jedoch an dem Ma\u00df\u00ad\nstab der Erf\u00fcllung von rechtspolitischen Zielsetzungen messen, m\u00fc\u00dfte man die dar\u00fcber\nhinausgehende Frage stellen: unter welchen Bedingungen werden die Gerichte eigent\u00ad\nlich angerufen, in welchen und wievielen anderen F\u00e4llen bleiben sie inaktiv? Gibt es eine\neigene Instanz zur \u00dcberwachung und Anzeige der \u00dcbertretung von Vertragsnormen,\nund unter welchen sozialen Bedingungen werden diese aktiv? Wenn wir solche Fragen\nempirisch beantworten, zeigt uns die Realit\u00e4t regelm\u00e4\u00dfig graduelle Unterscheidungen:\nin dem Ma\u00dfe, zu dem eine solche Instanz die Mobilisierung der Gerichte faktisch \u00fcber\u00ad\nnimmt, n\u00e4hern wir uns dem Autorit\u00e4tsmodell von Recht, in dem Ma\u00dfe, in dem die\nMobilisierung von der Aktivit\u00e4t der Parteien abh\u00e4ngt, entspricht es dem Modell der\n.Mobilisierung von Recht*.\nObwohl die soziale Wirklichkeit also mehr Mischformen als reine Auspr\u00e4gungen beider\nIdealtypen aufweist, f\u00fchrt doch der Ansatz weiter, die Struktur von Rechtsnormen an\nden Bedingungen festzumachen, unter denen Recht .mobilisiert* wird. N\u00fctzlich ist\nauch die Unterscheidung bei Black von pro-aktiver Situation des Staates, wenn er den\nersten Schritt zur T\u00e4tigkeit rechtlicher Instanzen tut, und reaktiver Mobilisierung,\nwenn B\u00fcrger Rechtsinstanzen anrufen. Man kann diese Unterscheidung analog auf die\nSituation des B\u00fcrgers \u00fcbertragen, wenn er vor der Entscheidung steht, Gerichte zu\nmobilisieren. Auch hier wieder wird die Wirksamkeit des Rechts erst im Falle des Kon\u00ad\nflikts beobachtbar: solange Vertr\u00e4ge eingehalten werden, ist nicht entscheidbar, ob\nnicht das gleiche Verhalten auch ohne Rechtsnorm erfolgt w\u00e4re. H\u00e4ufig wissen die\nBeteiligten in andauernden Sozialbeziehungen gar nicht, wie die rechtlichen Regelun\u00ad\ngen f\u00fcr ihre Interaktionen aussehen: K\u00e4ufer, und auch Verk\u00e4ufer, kommen meist ohne\ndie genauen Kenntnisse aller Bedingungen ihres Kaufvertrages aus; Arbeitnehmer und\nauch ihre unmittelbaren Vorgesetzten verhalten sich h\u00e4ufig kontr\u00e4r zu den Bedingun\u00ad\ngen ihres Arbeitsvertrages und k\u00f6nnen informelle Regeln der Organisation ihrer Bezie\u00ad\nhungen h\u00e4ufig sogar langfristig stabilisieren; und Arbeitsteilung wie Autorit\u00e4tsstruktur\ninnerhalb einer Familie werden eher durch tradierte Verhaltensmuster, denn durch das\ngeltende Familienrecht gepr\u00e4gt. Lediglich im Falle von Konflikten wird (manchmal\n.pl\u00f6tzlich*) die zugrunde liegende rechtliche Regelung zitiert. In andauernden Sozial\u00ad\nbeziehungen, insbesondere wenn sie pers\u00f6nlichen Charakter haben und informellen\nRegelungen unterliegen, kann eine solche Thematisierung von formalen Rechtsnor\u00ad\nmen schon die Drohung mit dem Abbruch der Beziehungen bedeuten. Erst recht gilt\ndies, wenn als dritte Partei ein Anwalt oder ein Gericht bem\u00fcht wird. Solche .Mobi\u00ad\nlisierung* von rechtlichen Instanzen ist deshalb desto unwahrscheinlicher, je pers\u00f6n\u00ad\nlicher und komplexer eine Sozialbeziehung ist und je mehr die Beteiligten ein Interesse\nan ihrer Aufrechterhaltung haben6. Gerichte k\u00f6nnen in solchen F\u00e4llen allenfalls die\n\n\n\n6    Zur h\u00f6heren Wahrscheinlichkeit der Normierung von Verhalten in weniger komplexen Bezie\u00ad\n6    Zur h\u00f6heren Wahrscheinlichkeit der Normierung von Verhalten in weniger komplexen Bezie\u00ad\nhungen vgl. die Konflikttheorie von Gessner 1976, insbesondere S. 170\u2014183.", "spans": [{"start": 0, "end": 56, "label": "meta"}, {"start": 57, "end": 138, "label": "blank"}, {"start": 139, "end": 3514, "label": "text"}, {"start": 3515, "end": 3609, "label": "blank"}, {"start": 3610, "end": 3778, "label": "ref"}]}
{"text": "Mobilisierung von Recht                          37\n\n\nBedingungen des Abbruchs von Sozialbeziehungen bestimmen, kaum jedoch deren\nBedingungen des Abbruchs von Sozialbeziehungen bestimmen, kaum jedoch deren\nfortlaufende Interaktion regeln. H\u00f6her ist die Wahrscheinlichkeit des Anrufens von\nrechtlichen Instanzen bei Konflikten in einmaligen und dazu noch anonymen Sozial\u00ad\nbeziehungen. Auseinandersetzungen nach einem Verkehrsunfall lassen sich ohne Ge\u00ad\nf\u00e4hrdung einer bestehenden Sozialbeziehung vor Gericht tragen; die Schulden gegen\u00ad\n\u00fcber einem anonymen Kunden leichter als die gegen\u00fcber einem bekannten, und diese\nwiederum leichter als die Gl\u00e4ubigerforderung gegen\u00fcber einem Freund.\nNimmt man alle Konflikte, die potentiell rechtlich behandelt werden k\u00f6nnten, so ist\ndas, was vor die Gerichte gelangt, nur eine Auswahl. Ebenso wie bei der registrierten\nKriminalit\u00e4t zeigen die F\u00e4lle vor Gericht nur die Spitze eines Eisbergs, bei dem wir\nnicht genau wissen, wie gro\u00df die unter dem Wasserspiegel liegende Gesamtmenge ist.\nUm die Bedingungen solcher Selektivit\u00e4t und die Rolle der Gerichte bei der Behand\u00ad\nlung sozialer Konflikte zu bestimmen, mu\u00df man drei Theorien aufeinander bezie\u00ad\nhen:\n1. eine Theorie sozialer Konflikte und der Wahrscheinlichkeit, mit der bei ihrer Aus\u00ad\ntragung Recht thematisiert* wird7;\n2. eine Theorie der Mobilisierung von Recht, die bestimmt, unter welchen Bedin\u00ad\ngungen der Zugang zu rechtlichen Instanzen gefunden wird;\n3. eine Theorie des Rechtsstreits, die bestimmt, unter welchen Bedingungen und mit\nwelchen Interessen sich eine Partei vor Gericht durchsetzen kann.\nIm folgenden behandle ich in erster Linie die Theorie der Mobilisierung von Recht.\nDazu mu\u00df man auf die Bedingungen der Thematisierung von Recht in Interaktionsbe\u00ad\nziehungen insoweit eingehen, als diese die Konfliktkonstellation f\u00fcr das Anrufen der\nGerichte mitpr\u00e4gen, und man mu\u00df die Erfolgschancen der Kl\u00e4ger vor Gericht einbe\u00ad\nziehen, da deren Antizipation das Verhalten der Parteien mitbestimmt.\n\n\n\n2. Konfliktkonstellation und die Mobilisierung von Recht\n2. Konfliktkonstellation und die Mobilisierung von Recht\n\n\n2.1 Die Thematisierung von Recht\n2.1 Die Thematisierung von Recht\n\n\nF\u00fcr die Frage, unter welchen Bedingungen Recht mobilisiert wird, macht es einen\nF\u00fcr die Frage, unter welchen Bedingungen Recht mobilisiert wird, macht es einen\ngrunds\u00e4tzlichen Unterschied, ob wir von einer Situation ausgehen, die \u00fcblicherweise\nschon in rechtlichen Kategorien definiert wird, oder ob eine solche Definition im\nLaufe eines Konfliktgeschehens erst noch zu leisten ist. Aus der Sicht eines Betroffe\u00ad\nnen kann eine Situation dadurch rechtlich definiert sein, da\u00df er von dem Gegner mit\neinem Rechtsakt konfrontiert wird, gegen den er sich wehren will. Dies ist etwa der\nFall, wenn die Polizei eine Strafanzeige stellt, oder wenn man mit der rechtlich ver\u00ad\nbindlichen Entscheidung einer Beh\u00f6rde konfrontiert ist: nach rechtsstaatlichen Prin\u00ad\nzipien hat man hiergegen Rechtsmittel, nicht aber die M\u00f6glichkeit der Verhandlung,\n\u00dcberzeugung, und meist in der Situation auch nicht die der Vermeidung. Nicht sehr\nweit davon entfernt sind die Situationen, in denen man von einem Vermieter, Verk\u00e4u\u00ad\n\n\n7   Zum Konzept der .Thematisierung von Recht* vgl. Luhmann 1980, S. 99\u2014112.\n7   Zum Konzept der .Thematisierung von Recht* vgl. Luhmann 1980, S. 99\u2014112.", "spans": [{"start": 0, "end": 52, "label": "meta"}, {"start": 53, "end": 129, "label": "blank"}, {"start": 130, "end": 1998, "label": "text"}, {"start": 1999, "end": 2057, "label": "blank"}, {"start": 2058, "end": 2115, "label": "text"}, {"start": 2116, "end": 2149, "label": "blank"}, {"start": 2150, "end": 2183, "label": "text"}, {"start": 2184, "end": 2264, "label": "blank"}, {"start": 2265, "end": 3186, "label": "text"}, {"start": 3187, "end": 3264, "label": "blank"}, {"start": 3265, "end": 3342, "label": "ref"}]}
{"text": "38                                    Erhard Blankenburg\n\n\nfer oder Arbeitgeber unter Hinweis auf rechtliche Sanktionen zur Zahlung oder zu be\u00ad\nfer oder Arbeitgeber unter Hinweis auf rechtliche Sanktionen zur Zahlung oder zu be\u00ad\nstimmtem Verhalten aufgefordert wird. Auch hier ist die Situation von dem Gegner\nrechtlich definiert worden, aber man hat m\u00f6glicherweise noch eine Chance, auf infor\u00ad\nmellem Wege den Konflikt zu bereinigen. Jedenfalls bedeutet in einer Sozialbeziehung\nmit pers\u00f6nlichem Kontakt die schriftliche Form unter Hinweis auf m\u00f6gliche Rechts\u00ad\nfolgen in der Regel, da\u00df ein Konflikt sich anbahnt und gegenseitiges Mi\u00dftrauen ent\u00ad\nstanden ist. Sehr oft steht hinter der Drohung mit Rechtsmitteln auch schon die M\u00f6g\u00ad\nlichkeit, da\u00df damit die informelle Sozialbeziehung beendet wird.\nVerrechtlichung mu\u00df in fortlaufenden Sozialbeziehungen eine akzeptierte Interak\u00ad\ntionsweise sein: so wie dies etwa im Beh\u00f6rdenverkehr oder unter Gesch\u00e4ftsleuten der\nFall ist. Allerdings zeigt sich auch hier, da\u00df vor der rechtlichen Fixierung in der Regel\nein informeller Proze\u00df der Vorkl\u00e4rungen und des Aushandelns vonstatten geht, der\ndann lediglich in rechtlichen Kategorien verbindlich gemacht wird. Bewegen wir uns\nin Verhaltensbereichen und Sozialbeziehungen, die einen solchen allt\u00e4glichen Um\u00ad\ngang mit explizitem Bezug auf das Recht nicht kennen, dann ist das Bem\u00fchen von\nRecht schon ein Indikator f\u00fcr Konflikte, wenn nicht sogar die Ank\u00fcndigung f\u00fcr das\nEnde der Sozialbeziehung. Gerichte werden herangezogen, um eine Ehe, eine Arbeits\u00ad\nbeziehung oder ein Mietverh\u00e4ltnis aufzul\u00f6sen; wirklich t\u00e4tig werden sie nur, wenn dies\nim Konflikt geschieht. Sie werden jedoch nur selten herangezogen, um diese Beziehun\u00ad\ngen selbst zu regeln.\nDiese Verallgemeinerung gilt allerdings um so mehr, je mehr die Beziehung auf pers\u00f6n\u00ad\nlicher Interaktion beruht8. Ist der Vermieter eine gro\u00dfe Wohnungsbaugesellschaft,\noder aber die Arbeitgeberfunktion weit entr\u00fcckt in der Personalabteilung einer gro\u00dfen\nOrganisation, dann ist die Thematisierung von rechtlichen Bedingungen eines fortlau\u00ad\nfenden Arbeits- oder Mietverh\u00e4ltnisses wahrscheinlicher, als wenn es sich um einen per\u00ad\ns\u00f6nlich bekannten Vermieter oder den \u201eChef\u201c eines kleinen Betriebes handelt. Entspre\u00ad\nchend ist auch die weitere Mobilisierung von Recht wahrscheinlicher in anonymen\nSozialbeziehungen: etwa im Stra\u00dfenverkehr, wenn es zu einem Unfall kommt, dem\nVerk\u00e4ufer eines Warenhauses oder die Firma, deren Produkt man erstanden hat. Auf\u00ad\ngrund der Anonymit\u00e4t der Sozialbeziehung sind Rechtsschritte bei Konflikten aus\nKaufvertr\u00e4gen von Seiten gro\u00dfer Gesellschaften durchaus wahrscheinlich \u2014 fraglich ist\nhier allenfalls, ob sich die Kosten f\u00fcr die rechtliche Austragung eines Konfliktes loh\u00ad\nnen und ob man sich aufgrund der Vertrags- und Beweislage einen Erfolg verspricht.\nDie \u00bbThematisierung von Recht* handelt von Konfliktkonstellationen, denen impli\u00ad\nzit eine Rechtsbeziehung unterliegt. Je nach der Sozialbeziehung variiert die Wahr\u00ad\nscheinlichkeit, mit der diese explizit gemacht wird. N\u00fctzlich ist f\u00fcr die Beurteilung die\u00ad\nser Wahrscheinlichkeit die Unterscheidung von Konfliktsituationen in:\n\n\n\u2014 laufenden, pers\u00f6nlichen Sozialbeziehungen;\n\u2014 laufenden, pers\u00f6nlichen Sozialbeziehungen;\n\u2014 gelegentlichen oder anonymen Sozialbeziehungen, die m\u00f6glicherweise erst aufgrund eines \u2014\nmeist einmaligen \u2014 Ereignisses als Konfliktbeziehung entstehen.\n\n\n\n\n\n8    Ausf\u00fchrlicher bei Gessner 1976\n8    Ausf\u00fchrlicher bei Gessner 1976", "spans": [{"start": 0, "end": 57, "label": "meta"}, {"start": 58, "end": 143, "label": "blank"}, {"start": 144, "end": 3150, "label": "text"}, {"start": 3151, "end": 3196, "label": "blank"}, {"start": 3197, "end": 3397, "label": "text"}, {"start": 3398, "end": 3437, "label": "blank"}, {"start": 3438, "end": 3474, "label": "ref"}]}
{"text": "Mobilisierung von Recht                                     39\n\n\nSelbstverst\u00e4ndlich gibt es zwischen diesen beiden als Extremtypen viele \u00dcberg\u00e4nge von\nSelbstverst\u00e4ndlich gibt es zwischen diesen beiden als Extremtypen viele \u00dcberg\u00e4nge von\n.Gelegenheitsbeziehungen4, die sich zu dauerhaften entwicklen, oder von pers\u00f6nlichen\nSozialbeziehungen, die sich lockern oder abgebrochen werden. Unabh\u00e4ngig hiervon\nentsteht f\u00fcr den Einzelnen ein Rechtszwang h\u00e4ufig dadurch, da\u00df die andere Seite\nihn mit rechtlichen Schritten konfrontiert. Dies ist typisch bei Sozialbeziehungcn\nzu Organisationen \u2014 unabh\u00e4ngig, ob diese dauerhaft oder gelegentlich sind. Analog\nzu Blacks .reaktiver Mobilisierung4 unterscheide ich deshalb neben den Situationen,\nin denen jemand selbst die ersten rechtlichen Schritte einleitet, als Situationstyp:\n\n\n\u2014 Situationen, in denen jemand von einer rechtlichen Genehmigung oder Entscheidung abh\u00e4ngig\n\u2014 Situationen, in denen jemand von einer rechtlichen Genehmigung oder Entscheidung abh\u00e4ngig\nist, oder aber mit einer rechtlichen Aktion konfrontiert ist, gegen die er sich wehren will. Grund\u00ad\ns\u00e4tzlich ist hier die Thematisierung von Recht schon durch die Gegenseite gegeben. Dies ist der Fall\nbei Konflikten von Privaten mit einer Beh\u00f6rde oder Organisation, deren Interaktionen mit der\nAu\u00dfenwelt b\u00fcrokratisiert und damit verrechtlicht sind.\n\n\nUnsere Unterscheidungen erlauben uns, unterschiedliche Konfliktkonstellationen zu\nUnsere Unterscheidungen erlauben uns, unterschiedliche Konfliktkonstellationen zu\nanalysieren, in denen Recht mobilisiert werden kann. Sie sind entscheidend daf\u00fcr,\nwer welchen Schritt zur Mobilisierung tun mu\u00df, und damit auch f\u00fcr die Wahrschein\u00ad\nlichkeit, mit der dies geschieht.\n\n\n\n2.1.1 Fortbestehende Sozialbeziehungen\n2.1.1 Fortbestehende Sozialbeziehungen\n\n\nIn fortlaufenden Sozialbeziehungen ist der Gang zum Gericht immer eine Eskalation,\nIn fortlaufenden Sozialbeziehungen ist der Gang zum Gericht immer eine Eskalation,\nmeist der Endpunkt eines l\u00e4ngeren Konfliktprozesses. Von der Konstellation bei Klage\u00ad\nerhebung ausgehend, mu\u00df man mehrere Stufen zur\u00fcckverfolgen, wie sich der Proze\u00df\neiner Verrechtlichung entwickelt: etwa beim K\u00fcndigungsproze\u00df vor dem Arbeitsge\u00ad\nricht9 geht der Klage eines Arbeitnehmers der Rechtsakt einer K\u00fcndigung durch den\nArbeitgeber voraus. Diese K\u00fcndigung kann betrieblich oder \u00f6konomisch begr\u00fcndet\nsein, h\u00e4ufig jedoch ist sie eine Reaktion auf das Nichteinhalten des Arbeitsvertrages:\nweil der Arbeitnehmer nicht die erwartete Leistung erbringt, zu h\u00e4ufig krank ist, oder\nihm sonstiges Fehlverhalten zur Last gelegt wird. Der Vertragsbruch allein reicht dabei\nwohl selten als Motivation zur K\u00fcndigung, sondern die Entscheidung hier\u00fcber beruht\nauf einer impliziten Verhaltensbilanz: die informellen Beziehungen zu Arbeitskollegen\nund deren Unterst\u00fctzung spielen dabei eine ebenso gro\u00dfe Rolle wie die Beurteilung von\nVorgesetzten und die generelle Tendenz zur Beibehaltung oder zum Abbruch des Sta\u00ad\ntus quo von Sozialbeziehungen. Sieht man einmal von diesen informellen (meist ent\u00ad\nscheidenden) Gr\u00fcnden zum Abbruch einer Arbeitsbeziehung (ohne betriebliche oder\n\u00f6konomische Gr\u00fcnde) ab, so findet sich dennoch in der rechtlich-relevanten Begr\u00fcn\u00ad\ndung die folgende Abfolge von Rechtsschritten wieder:\n\u2014 das Nichteinhalten von Erwartungen im Rahmen des Arbeitsvertrags;\n\u2014 die daraufhin erfolgte K\u00fcndigung (mitsamt ihren Verfahrenserfordernissen wie\ngegebenenfalls Einschaltung des Betriebsrats usw.);\n~~ die Klage vor dem Arbeitsgericht.\n9   Vgl. Sch\u00f6nholz 1980.\n9   Vgl. Sch\u00f6nholz 1980.", "spans": [{"start": 0, "end": 63, "label": "meta"}, {"start": 64, "end": 150, "label": "blank"}, {"start": 151, "end": 816, "label": "text"}, {"start": 817, "end": 909, "label": "blank"}, {"start": 910, "end": 1351, "label": "text"}, {"start": 1352, "end": 1434, "label": "blank"}, {"start": 1435, "end": 1715, "label": "text"}, {"start": 1716, "end": 1756, "label": "blank"}, {"start": 1757, "end": 1796, "label": "text"}, {"start": 1797, "end": 1880, "label": "blank"}, {"start": 1881, "end": 3530, "label": "text"}, {"start": 3531, "end": 3556, "label": "ref"}]}
{"text": "40                                      Erhard Blankenburg\n\n\nIm arbeitsrechtlichen Konflikt kann also der Arbeitgeber mit der K\u00fcndigung Fakten\nIm arbeitsrechtlichen Konflikt kann also der Arbeitgeber mit der K\u00fcndigung Fakten\nschaffen, auf die dann der Arbeitnehmer mit dem Gang zum Gericht antworten mu\u00df.\nDie juristische Konstellation des Falles ist so, da\u00df die Klagezumutung in aller Regel\nauf der Seite des Arbeitnehmers liegt. Mit 94 % Arbeitnehmerklagen geh\u00f6rt das Ar\u00ad\nbeitsgericht daher zu den Gerichtstypen mit faktisch asymmetrischer Parteikonstella\u00ad\ntion10.\n\u00c4hnlich kann man im Fall eines R\u00e4umungsstreits11 vor dem Mietgericht die Abfolge\nvon Interaktionen zur\u00fcck verfolgen, und kommt dabei zu einer anderen Ausgangskon\u00ad\nstellation f\u00fcr den Proze\u00df:\n\u2014 Auch hier wird man als ersten Schritt das Nichteinhalten von Vertragsbedingungen\nansehen, sei dies auf Seiten des Vermieters, der notwendige Reparaturen nicht durch\u00ad\nf\u00fchrt oder \u00fcberh\u00f6hte Forderungen stellt, sei dies auf der Seite des Mieters, der\nwegen Fehlverhaltens aufgefallen oder mit Zahlungen in Verzug ist.\n\u2014 Hat der Konflikt mit Entt\u00e4uschungen \u00fcber das Verhalten des Vermieters (etwa\nnichtausgef\u00fchrte Reparaturen) begonnen, so ist der n\u00e4chste Schritt auf dem Weg zur\nVerrechtlichung auf Seiten des Mieters nicht unbedingt der Gang zum Gericht, son\u00ad\ndern (klugerweise) die Vorenthaltung von Zahlungen \u2014 in diesem Falle also erlaubt\ndie Konstellation der Vorenthaltungs-M\u00f6glichkeit im Mietverh\u00e4ltnis, die Klagezu\u00ad\nmutung dem Vermieter zuzuschieben.\nDer Mieter befindet sich physisch im Besitz der Wohnung (\u2014 im Gegensatz zum Ar\u00ad\nbeitnehmer, der sich den physischen Zugang zum Arbeitsplatz erzwingen m\u00fc\u00dfte).\nDer Mieter kann Zahlungen vorenthalten (im Gegensatz zum Arbeitnehmer, der sol\u00ad\nche vom Arbeitgeber einklagen m\u00fc\u00dfte). Deshalb kann der Mieter dem Vermieter die\nMobilisierung von Recht zuschieben. Dem entsprechen die Daten von Aktenanalysen:\nbei R\u00e4umungsklagen ist es per definitionem immer, bei sonstigen Mietprozessen zu\n73 % der Vermieter, der gegen den Mieter vor Gericht zieht12.\nDie juristische Ausgangskonstellation eines gerichtlichen Konflikts ist also unterschied\u00ad\nlich, je nachdem, wer im Laufe einer Sozialbeziehung Leistungen vorenthalten kann,\nund je nachdem, wieweit der Abbruch einer sozialen Beziehung zun\u00e4chst faktisch m\u00f6g\u00ad\nlich ist, und dann juristisch nachvollzogen wird, oder ob sie zuerst mit Rechtskraft\nausgestattet und dann vollzogen werden.\nJedoch mu\u00df man wiederum generell sagen, da\u00df die juristische Konstellation bei Ab\u00ad\nbruch von sozialen Beziehungen nur den Endpunkt eines l\u00e4ngeren Konfliktverlaufs\nbildet. Teilweise m\u00f6gen solche Konflikte \u00fcberhaupt nicht in rechtlichen Kategorien\ngesehen werden, teilweise m\u00f6gen diese als Drohungen gebraucht, aber nie angewandt\nwerden. Auch hier wieder gibt es juristische Unterschiede: der Abbruch eines Arbeits\u00ad\noder Mietverh\u00e4ltnisses gelangt nur vor Gericht, wenn eine der Parteien widerspricht\n(und sei dies, da\u00df sie den Bedingungen des Abbruchs widerspricht). Anders ist dies\nbeim Eheverh\u00e4ltnis: hier besteht ein Rechtszwang, das hei\u00dft selbst bei einverst\u00e4nd\u00ad\nlicher Trennung kann nur das Gericht diese zu einer rechtskr\u00e4ftigen Scheidung\n\n\n\n10   Blankenburg/Sch\u00f6nholz; Rogowski 1979, S. 64 ff.\n10   Blankenburg/Sch\u00f6nholz; Rogowski 1979, S. 64 ff.\n11   Hilden 1976, S. 64 ff.\n12   Koch 1975, S. 75, der allerdings nur streitige Urteile und Vergleiche untersucht hat.\nMobilisierung von Recht                                   41\n\n\nmachen. Dem Gang zum Gericht kann ein langer Proze\u00df der Zerr\u00fcttung vorausgehen,\nmachen. Dem Gang zum Gericht kann ein langer Proze\u00df der Zerr\u00fcttung vorausgehen,\ninnerhalb dessen die Drohung mit rechtlichen Mitteln immer schon eine Drohung mit\ndem Abbruch der Sozialbeziehung ist, und es kaum vorstellbar ist, da\u00df bestimmte Be\u00ad\ndingungen (etwa liebevolle Zuwendung oder der Vollzug des Beischlafs) durch Recht\nerzwungen werden. (Dies, obwohl die Nichterf\u00fcllung solcher Erwartungen f\u00fcr eine\nKlagebegr\u00fcndung ausreichen k\u00f6nnen.)\nDie Klagezumutung liegt im Fall der Ehescheidung auf der Seite desjenigen, der das\nunmittelbare Interesse an der Rechtskraft einer Trennung hat. Wie wenig die gericht\u00ad\nliche Auseinandersetzung hier auch den tats\u00e4chlichen Konflikt widerspiegelt, zeigt\nsich darin, da\u00df sehr h\u00e4ufig beide Parteien vereinbaren, wer die Rolle des Antragstellers\nund wer die des Antragsgegners \u00fcbernimmt; da\u00df sie (wie bei der Konventionalschei-\ndung des alten Eherechts) die Bedingungen der Trennung vorher aushandeln. Rechts\u00ad\nzwang f\u00fchrt hier dazu, da\u00df die Auseinandersetzung vor Gericht vielfach nur noch ein\nRitual ist. Das Gericht wird f\u00fcr diese F\u00e4lle auf eine notarielle Funktion reduziert.\nEntsprechend gibt die Rollenverteilung vor Gericht nicht notwendig die Konfliktkon\u00ad\nstellation wieder. Zwar werden Scheidungsklagen zu 55 % von der Frau eingereicht, zu\n37 % vom Mann und zu 8 % werden sie von beiden Ehepartnern betrieben. Jedoch\nwerden insgesamt 65 % aller Prozesse, die zum Scheidungsurteil f\u00fchren, mit Zustim\u00ad\nmung der jeweiligen Gegenpartei betrieben, so da\u00df vor Gericht lediglich um Folge\u00ad\nregelungen gestritten wird, im \u00fcbrigen jedoch beide Parteien gleicherma\u00dfen nur eine\nBeurkundung ihrer Scheidung erreichen wollen13.\nDie Aufl\u00f6sung dieser drei Arten von sozialer Beziehung \u2014 dem Arbeits-, Miet- und dem\nEheverh\u00e4ltnis \u2014 machen einen gro\u00dfen Teil des Gesch\u00e4ftsanfalls der Gerichte aus.\nJeweils hat sich vor Anrufung des Gerichts ein (oft l\u00e4ngerer) Konflikt zugetragen,\ninnerhalb dessen sich m\u00f6glicherweise schon wiederholt die Frage der Thematisierung\nvon Recht gestellt hat. Kommt es zur tats\u00e4chlichen Mobilisierung, wird oft schon\nnicht mehr daran gedacht, die Gestaltung einer weiter bestehenden Sozialbeziehung\ndurch Recht entscheiden zu lassen. Im Eheverh\u00e4ltnis kann man ausschlie\u00dfen, da\u00df\njemand versucht, die gegenseitige Beziehung mit Hilfe einer Entscheidung auf Erf\u00fcllung\noder Unterlassung zu regeln. Im Arbeitsverh\u00e4ltnis kommt dies vor, insbesondere, weil\ndie Interessen von Arbeitnehmern ebenso wie von Arbeitgebern organisiert sind und\ndie rechtliche Auseinandersetzung m\u00f6glicherweise Pr\u00e4zedenzwirkung f\u00fcr weitere Kon\u00ad\nflikte hat. (Eindeutig haben den Charakter solcher grunds\u00e4tzlichen Regelung von Ar\u00ad\nbeitsbeziehungen nur die ,Beschlu\u00dfsachen* vor den Arbeitsgerichten, die Vermutung\nbesteht im \u00fcbrigen bei etwa einem Drittel aller Klagen in erster Instanz, da\u00df sie Kon\u00ad\nflikte innerhalb eines fortdauernden Arbeitsverh\u00e4ltnisses regeln14.) Im Mietverh\u00e4lt\u00ad\nnis ist der Anteil von Klagen innerhalb einer fortdauernden Beziehung gr\u00f6\u00dfer15. Hier\n\n\n\n13   F\u00fcr Angaben der Z\u00e4hlkartenstatistik f\u00fcr die Familiengerichte siehe: Statistisches Bundesamt\n13   F\u00fcr Angaben der Z\u00e4hlkartenstatistik f\u00fcr die Familiengerichte siehe: Statistisches Bundesamt\nWiesbaden, Fachserie 10 (Rechtspflege) Reihe 2.1, Tabelle 10, Wiesbaden 1978.\n14   Blankenburg/Sch\u00f6nholz; Rogowski 1979, S. 78 ff.\n15   Steinbach 1979 hat in einer Erhebung von 1144 Amtsgerichtsprozessen in der Bundesrepublik\nohne Berlin in den Jahren 1974\u20141976 ein Verh\u00e4ltnis von 1 R\u00e4umungsklage je 1,2 Forderungs\u00ad\nklagen, in Berlin allerdings von 1 R\u00e4umungsklage je 0,12 Forderungsklagen ermittelt. Im fol\u00ad\ngenden auch als GMD-Erhebung zitiert.", "spans": [{"start": 0, "end": 59, "label": "meta"}, {"start": 60, "end": 142, "label": "blank"}, {"start": 143, "end": 3179, "label": "text"}, {"start": 3180, "end": 3234, "label": "blank"}, {"start": 3235, "end": 3468, "label": "ref"}, {"start": 3469, "end": 3549, "label": "blank"}, {"start": 3550, "end": 6543, "label": "text"}, {"start": 6544, "end": 6642, "label": "blank"}, {"start": 6643, "end": 7187, "label": "ref"}]}
{"text": "42                                 Erhard Blankenburg\n\n\nwie beim Arbeitsgericht steigt die Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Auseinander\u00ad\nwie beim Arbeitsgericht steigt die Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Auseinander\u00ad\nsetzung innerhalb fortbestehender Sozialbeziehungen mit deren Anonymit\u00e4t: in Klein\u00ad\nbetrieben ist dies unwahrscheinlicher als in Gro\u00dfbetrieben, ebenso wie es zwischen\nVermietern und Mietern, die sich pers\u00f6nlich kennen, unwahrscheinlicher ist als im\nMietverh\u00e4ltnis mit einer gro\u00dfen Wohnungsbaugesellschaft. Wenn man annimmt, da\u00df\ndas Drohen mit Rechtsschritten die pers\u00f6nliche Beziehung zwischen Vermieter und\nMieter gef\u00e4hrden w\u00fcrde, dann w\u00fcrde in diesem Fall hinter der Verrechtlichung eines\nKonfliktes sehr viel unmittelbarer die Konsequenz eines Abbruchs der Sozialbeziehung\nstehen, w\u00e4hrend sich eine rechtliche Auseinandersetzung im Verkehr mit einer anony\u00ad\nmen Gesellschaft sehr viel leichter aushalten l\u00e4\u00dft.\n\n\n\n2.1.2 Einmalige oder anonyme Sozialbeziehungen\n2.1.2 Einmalige oder anonyme Sozialbeziehungen\n\n\nSozialbeziehungen unter Fremden, die situationsbedingt sind, und bei denen die Be\u00ad\nSozialbeziehungen unter Fremden, die situationsbedingt sind, und bei denen die Be\u00ad\nteiligten damit rechnen, sich als Fremde wieder zu trennen, laufen nicht ohne Regeln\nab. Gerade dort, wo viele kurzfristig aneinander vorbei und miteinander auskommen\nm\u00fcssen, ist es von Vorteil, wenn alle sich an Regeln des Sozialverkehrs halten. Stras\u00ad\nsenverkehrsregeln bieten hierf\u00fcr den Idealtyp: Kaum jemand wird einen Wertkonflikt\ndaraus konstruieren, ob man rechts oder links f\u00e4hrt, jedoch alle sind daran interes\u00ad\nsiert, da\u00df man eine Einigung auf das eine oder andere, und damit Vorhersehbarkeit\nvon deren Verhalten erzielt. Wie die Regelung erfolgt, ist nicht wichtig, aber da\u00df sie\nerfolgt, und da\u00df Abweichungen durch Sanktion bestraft werden, kann zum Rechts\u00ad\npostulat gemacht werden und sogar affektiv besetzt sein. Zwei Arten rechtlicher Aktio\u00ad\nnen entstehen aus Verkehrsregeln:\n\u2014 einmal die Sanktion von Abweichungen (wobei es nur einen technischen Unter\u00ad\nschied macht, ob dies Stra\u00dfenverkehrsveigehen sind oder Ordnungswidrigkeiten).\nAnzeichen f\u00fcr die weitgehende affektive Neutralit\u00e4t gegen\u00fcber solchen Delikten ist,\nda\u00df ihre Entdeckung \u00fcberwiegend auf den Einsatz eines polizeilichen Kontroll- und\n\u00dcberwachungsstabes angewiesen ist. Die private Anzeigeneigung ist nicht nur des\u00ad\nhalb gering, weil es hierzu meist am Interesse eines Opfers fehlt, sondern auch, weil\nVerkehrsdelikte so ubiquit\u00e4r sind, da\u00df eine Anzeige von Unbeteiligten nur in\nschwerwiegenden F\u00e4llen als sozial akzeptabel angesehen wird.\n- Die zweite Quelle von Rechtskonflikten bilden Unf\u00e4lle im Stra\u00dfenverkehr. Hier\ngeht es nur vordergr\u00fcndig um die Einhaltung von Verhaltensregeln, wichtigste Funk\u00ad\ntion des Bezugs auf Recht ist, da\u00df eine Entscheidung gef\u00e4llt wird, wer den Scha\u00ad\nden zu tragen hat. Jedoch ist bei Verkehrssachen die Rollenverteilung wenig signifi\u00ad\nkant: Zwar klagen hier fast immer die Beteiligten an einem Verkehrsunfall gegen\u00ad\neinander, jedoch steht hinter beiden jeweils eine Versicherung, die f\u00fcr Haftungs\u00ad\nanspr\u00fcche gegen die unterliegende Partei aufkommen m\u00fc\u00dfte. Zumindest in der \u00fcber\u00ad\nwiegenden Zahl der F\u00e4lle, in denen es wesentlich um einen Sachschaden geht, sind\ndie Parteien am Ausgang ihres Prozesses wenig interessiert und \u00fcberlassen es ihren\nAnw\u00e4lten und den .Parteien hinter den Parteien*, den Gang des Prozesses zu bestim\u00ad\nmen. Nur wenn es um einen versicherungsm\u00e4\u00dfig nicht gedeckten Eigenschaden oder\nMobilisierung von Recht                                 43\n\n\num die H\u00f6he der Entsch\u00e4digung bei Personenverletzungen geht, haben die Parteien\num die H\u00f6he der Entsch\u00e4digung bei Personenverletzungen geht, haben die Parteien\nein besonderes Interesse am Ausgang des Prozesses. Ansonsten k\u00f6nnen die Betei\u00ad\nligten am Unfall rational gesehen nur noch ein residuales Interesse an dem Konflikt\nuntereinander haben: etwa um nicht mit einem Verkehrsvergehen registriert zu wer\u00ad\nden und damit ihren F\u00fchrerschein zu riskieren oder aber um eine Schadensfreiheits\u00ad\npr\u00e4mie bei der Versicherung nicht zu verlieren. Die Versicherungen selbst w\u00fcrden\nsich, rational gesehen, am besten untereinander einigen, ohne die Kosten einer\nrechtlichen Auseinandersetzung einzugehen: eine routinisierte Regulierungspraxis\nm\u00fc\u00dfte die Nachteile f\u00fcr alle Versicherungen in der gro\u00dfen Zahl ausgleichen, den\nBearbeitungsaufwand dagegen f\u00fcr alle mindern. Damit entstehen allenfalls Forde\u00ad\nrungen der Unfallbeteiligten gegen ihre Versicherungen, wenn sie mit deren Regu\u00ad\nlierung nicht einverstanden sind16.\nIn beiden F\u00e4llen: der Verhaltensregulierung ebenso wie der Schadenszurechnung ist\ndie Ausgangslage des Konfliktes f\u00fcr den .Betroffenen* schon rechtlich definiert: sei es,\nda\u00df er sich gegen einen Bu\u00dfgeldbescheid oder ein Strafmandat zur Wehr setzen will\noder aber da\u00df er sich gegen eine Regulierung der Schuld- und Haftungszuweisung nach\neinem Unfall wehren will. Dazu, da\u00df beide Arten von Konflikt von Anbeginn in recht\u00ad\nlichen Kategorien gesehen werden, gibt es kaum eine Alternative. .Mobilisierung von\nRecht* hei\u00dft deshalb f\u00fcr den Betroffenen im ersten Fall, ob er Rechtsmittel gegen eine\nrechtliche Aktion anderer in Anspruch nehmen will; im zweiten Fall, ob ersieh einer\nSchuldzurechnung unter den Versicherungen beugen oder hier\u00fcber vor Gericht Beweis\naufnehmen lassen will.\nAllerdings handelt es sich beim Umgang mit anonymen Gegnern oder mit privaten Or\u00ad\nganisationen noch um Interaktionen, bei denen ein Widerspruch nicht unbedingt in\nrechtlichen Kategorien erfolgen mu\u00df, wo dies wegen des Charakters, insbesondere der\nAnonymit\u00e4t der Beziehung, lediglich sehr nahe liegt. Idealtypisch hierf\u00fcr sind Kauf\u00ad\nund sonstige Vertragsforderungen: die M\u00e4ngelr\u00fcge bei schlechter Ware oder die\nAnmahnung vertraglich vereinbarter Pflichten wird bei der Erwartung einer langfri\u00ad\nstigen Gesch\u00e4ftsbeziehung zun\u00e4chst einmal durch Kulanz geregelt werden: Kaufleute\nwollen \u2014 wie bei anderen Sozialbeziehungen \u2014 nicht durch die Verrechtlichung den\nAbbruch der Beziehungen heraufbeschw\u00f6ren. Je anonymer jedoch die Beziehung, je\nmehr sie zwischen Organisationen und Privaten stattfindet, desto mehr wird auch die\nKulanz auf Regeln gebracht und desto mehr sind dar\u00fcber hinausgehende Konflikte\nnur noch durch Verrechtlichung zu behandeln. Der Konflikt kann hier mit einer Be\u00ad\nschwerde oder einem Brief unter Androhung von Rechtsmitteln beginnen \u2014 erfolgt\nhierauf kein Kulanz-Angebot, dann stellt sich die Frage der Mobilisierung von recht\u00ad\nlichen Instanzen: entweder ein Gericht anzurufen oder auf Interessendurchsetzung zu\nverzichten. Wie bei allen Vertr\u00e4gen, kann hierbei oft die Klagezumutung von der einen\nauf die andere Seite geschoben werden: etwa, wenn der Rest des Kaufpreises oder die\nEntlohnung (im Falle eines Werkvertrages) teilweise vorcnthalten wird. Auch hier gilt,\n\n\n\n16   Johnson 1979 berichtet von dem erfolgreichen Versuch einer Unfall-Schadensregulierung\n16   Johnson 1979 berichtet von dem erfolgreichen Versuch einer Unfall-Schadensregulierung\nohne Ber\u00fccksichtigung einer Schuldzuschreibung in Neuseeland (no fault accident compensa-\ntion), S. 90 ff.", "spans": [{"start": 0, "end": 54, "label": "meta"}, {"start": 55, "end": 142, "label": "blank"}, {"start": 143, "end": 942, "label": "text"}, {"start": 943, "end": 991, "label": "blank"}, {"start": 992, "end": 1039, "label": "text"}, {"start": 1040, "end": 1123, "label": "blank"}, {"start": 1124, "end": 3584, "label": "text"}, {"start": 3585, "end": 3665, "label": "blank"}, {"start": 3666, "end": 6858, "label": "text"}, {"start": 6859, "end": 6951, "label": "blank"}, {"start": 6952, "end": 7150, "label": "ref"}]}
{"text": "44                                      Erhard Blankenburg\n\n\nda\u00df die Mobilisierung von Recht jeweils demjenigen zugemutet wird, der Leistungen\nda\u00df die Mobilisierung von Recht jeweils demjenigen zugemutet wird, der Leistungen\nvom anderen einfordern mu\u00df: wer im physischen Besitz einer Sache ist, sei dies ein\nGrundst\u00fcck, sei es Geld, kann diese zun\u00e4chst vorenthalten und dem anderen die Er\u00ad\nzwingung seines Interesses mittels Recht zuschieben.\nFaktisch allerdings sind Kl\u00e4ger- und Beklagtenrolle vor den Zivilgerichten weitgehend\nasymmetrisch verteilt. Bei Kaufvertr\u00e4gen, die den gr\u00f6\u00dften Anteil der Zivilsachen aus\u00ad\nmachen, \u00fcberwiegen die Prozesse, in denen der Verk\u00e4ufer gegen den K\u00e4ufer Zahlungs\u00ad\nforderungen geltend macht; selten dagegen klagt der K\u00e4ufer auf Lieferung oder wegen\nM\u00e4ngeln an der gekauften Ware. Man k\u00f6nnte annehmen, da\u00df dies der sozialen Ver\u00ad\nteilung von Vertragsverletzungen entspr\u00e4che: da\u00df die Verk\u00e4ufer ihre Verpflichtungen\nin der Regel einhalten, K\u00e4ufer jedoch nicht immer den vertraglich ausgemachten Preis\nzahlen, insbesondere nicht, wenn Raten- oder Kreditzahlungen vereinbart worden sind.\nJedoch lie\u00dfe eine solche Erkl\u00e4rung die Dunkelziffer der Vertragsverletzungen au\u00dfer\nacht, in denen die Partei, die das Nachsehen hat, Recht nicht f\u00fcr sich mobilisiert hat.\nBei Verk\u00e4ufern ist dies seltener der Fall, weil sich ihre Forderung auf eine eindeutig\nfestlegbare Geldsumme bel\u00e4uft und weil man dem K\u00e4ufer eine Quittung als Beweis\nabverlangen kann. M\u00e4ngelr\u00fcgen aber und das Nichteinhalten von Absprachen \u00fcber Ne\u00ad\nbenbedingungen einer Warenlieferung lassen sich h\u00e4ufig nur sehr schwer oder nicht mit\nSicherheit beweisen. Hinzu kommt, da\u00df Verk\u00e4ufer oft Vielfachprozessierer sind, f\u00fcr\ndie rechtliche Unkenntnis und formale Zugangsbarrieren nicht bestehen. Einige Han\u00ad\ndelsformen, wie z. B. der Versandhandel oder die Zahlungserleichterung \u00fcber Waren\u00ad\nkredite, kalkulieren mit gerichtlichen Auseinandersetzungen und ihrem forensischen\nVorteil. So kommt es, da\u00df bei Kaufvertr\u00e4gen \u00fcberwiegend (zu 73 %) Firmen als Kl\u00e4ger\nauftreten, nur zu 3 % klagt ein Privater gegen eine Firma17.\n\n\n\nTabelle 1. Verteilung der Parteienkonstellation bei Prozessen um Kaufvertr\u00e4ge am Amtsgericht\nTabelle 1. Verteilung der Parteienkonstellation bei Prozessen um Kaufvertr\u00e4ge am Amtsgericht\n\n\nKl\u00e4ger                                 Beklagter\nKl\u00e4ger                                 Beklagter\nPrivatperson               Firma\nPrivatperson                          24 %                    3%                 27%\nFirma                                 54%                    19%                 73 %\n78 %                   22%                100%\n\n\n\nQuelle: GMD-Erhebung, Repr\u00e4sentativ f\u00fcr Amtsgerichte BRD, 1976.\nQuelle: GMD-Erhebung, Repr\u00e4sentativ f\u00fcr Amtsgerichte BRD, 1976.\n\n\n\n\n2.1.3 Gegenwehr gegen rechtliche Schritte anderer\n2.1.3 Gegenwehr gegen rechtliche Schritte anderer\n\n\nNicht immer ist die Entscheidung \u00fcber die Thematisierung von Recht einem selbst\nNicht immer ist die Entscheidung \u00fcber die Thematisierung von Recht einem selbst\n\u00fcberlassen. H\u00e4ufig wird map mit einem vollendeten Schritt zur Mobilisierung von\n\n\n\n17    Steinbach 1979, S. 66 ff.; Blankenburg/Blankenburg/Morasch 1972, S. 82 ff.\n17    Steinbach 1979, S. 66 ff.; Blankenburg/Blankenburg/Morasch 1972, S. 82 ff.", "spans": [{"start": 0, "end": 59, "label": "meta"}, {"start": 60, "end": 142, "label": "blank"}, {"start": 143, "end": 2097, "label": "text"}, {"start": 2098, "end": 2192, "label": "blank"}, {"start": 2193, "end": 2286, "label": "text"}, {"start": 2287, "end": 2336, "label": "blank"}, {"start": 2337, "end": 2637, "label": "text"}, {"start": 2638, "end": 2703, "label": "blank"}, {"start": 2704, "end": 2768, "label": "text"}, {"start": 2769, "end": 2821, "label": "blank"}, {"start": 2822, "end": 2872, "label": "text"}, {"start": 2873, "end": 2953, "label": "blank"}, {"start": 2954, "end": 3114, "label": "text"}, {"start": 3115, "end": 3197, "label": "blank"}, {"start": 3198, "end": 3279, "label": "ref"}]}
{"text": "Mobilisierung von Recht                               45\n\n\nRecht durch den anderen konfrontiert. Wie wir gesehen haben, kann dies letztlich auf\nRecht durch den anderen konfrontiert. Wie wir gesehen haben, kann dies letztlich auf\neigenes Verhalten zur\u00fcckzuf\u00fchren sein, aber bei vielen Herausforderungen bleibt zu\u00ad\nn\u00e4chst offen, ob die andere Seite rechtliche Schritte unternimmt. Ist dies einmal\ngeschehen, und kann man den anderen nicht zur Zur\u00fccknahme bewegen, mu\u00df die Ge\u00ad\ngenwehr (zumindest auch) mit rechtlichen Mitteln erfolgen. Entsprechend ist die Kl\u00e4\u00ad\ngerrolle hier extrem asymmetrisch: bei Verwaltungsgerichten ist es immer, bei Sozial\u00ad\ngerichten fast immer derjenige Kl\u00e4ger, der von einer Verwaltungsentscheidung, -Unter\u00ad\nlassung oder deren Folgen betroffen ist.\nDie Situation, mit einem Rechtsakt anderer konfrontiert zu sein, ist immer gegeben,\nwenn man sich gegen Entscheidungen von Beh\u00f6rden (einschlie\u00dflich den Anzeigen\ndurch die Polizei) zur Wehr setzen will. Aus der Sicht des Betroffenen stellt sich jeweils\ndie Frage, ob man die beh\u00f6rdliche Entscheidung hinnehmen (beziehungsweise etwa\neine Geldbu\u00dfe bezahlen) will, oder ob man hiergegen Einspruch, Widerspruch oder\nBeschwerde erhebt. Da beh\u00f6rdliche Entscheidungen in der Regel Rechtsform anneh\u00ad\nmen, werden erst durch die Gegenwehr Rechtsmittel der Konfliktaustragung mobi\u00ad\nlisiert. Trotz aller \u00bbRechtsmittel-Belehrungen* in beh\u00f6rdlichen Schreiben bestehen f\u00fcr\nden Betroffenen alle die Kompetenzbarrieren, die f\u00fcr die Bedingungen f\u00fcr die Mobi\u00ad\nlisierung von Recht insgesamt gelten. Befragungsdaten zeigen, da\u00df die Resignation\ngegen\u00fcber den M\u00f6glichkeiten einer Mobilisierung von Widerspruchsrechten gegen\u00fcber\nBeh\u00f6rden vergleichsweise hoch ist. Dies f\u00fchrt uns im weiteren zur Betrachtung des\nBeratungsangebots und der Erfolgsaussichten als Bedingungen der Mobilisierung von\nRecht.\n\n\n\n2.2 Mobilisierung von Recht\n2.2 Mobilisierung von Recht\n\n\n2.2.1 Das Anrufen des Gerichts als letzte Stufe von Probleml\u00f6sungsversuchen\n2.2.1 Das Anrufen des Gerichts als letzte Stufe von Probleml\u00f6sungsversuchen\n\n\nEinige Daten aus einer Befragung, die wir 1979 repr\u00e4sentativ f\u00fcr die deutsche Bev\u00f6l\u00ad\nEinige Daten aus einer Befragung, die wir 1979 repr\u00e4sentativ f\u00fcr die deutsche Bev\u00f6l\u00ad\nkerung West-Berlins durchgef\u00fchrt haben18, geben Aufschlu\u00df dar\u00fcber, wie h\u00e4ufig in\nverschiedenen Konfliktkonstellationen Gerichte mobilisiert werden, wie h\u00e4ufig direkte\nund informelle Einigungsversuche gemacht werden, und mit welcher Wahrscheinlich\u00ad\nkeit die Betroffenen nachgeben oder resignieren, ohne irgendetwas zu unternehmen.\nDabei h\u00e4ngt die H\u00e4ufigkeit, mit der Befragte \u00fcberhaupt rechtlich relevante Probleme\nnennen, immer von der Gestaltung des Fragebogens ab: in unserer Befragung wurde\nin den Bereichen des Verbraucherrechts, des Mietrechts, Arbeitsrechts und bezogen\nauf den Umgang mit Beh\u00f6rden jeweils eine Liste von Konflikten vorgelegt, die zwar\nvon Geringf\u00fcgigkeiten bis zu existenziell wichtigen Problemsituationen reichten, die\n\n\n\n\n\n18   Projektbericht ,Rechtshilfebed\u00fcrfnisse sozial Schwacher*, (Blankenburg/Gorges/Reifner;\n18   Projektbericht ,Rechtshilfebed\u00fcrfnisse sozial Schwacher*, (Blankenburg/Gorges/Reifner;\nTicmann). Befragt wurden im Januar bis M\u00e4rz 1979 je eine Person in 835 Haushalten West\u00ad\nberlins. Ver\u00f6ffentlichung ist vorgesehen f\u00fcr Ende 1980.", "spans": [{"start": 0, "end": 57, "label": "meta"}, {"start": 58, "end": 143, "label": "blank"}, {"start": 144, "end": 1847, "label": "text"}, {"start": 1848, "end": 1877, "label": "blank"}, {"start": 1878, "end": 1906, "label": "text"}, {"start": 1907, "end": 1983, "label": "blank"}, {"start": 1984, "end": 2060, "label": "text"}, {"start": 2061, "end": 2146, "label": "blank"}, {"start": 2147, "end": 2975, "label": "text"}, {"start": 2976, "end": 3071, "label": "blank"}, {"start": 3072, "end": 3308, "label": "ref"}]}
{"text": "46                                Erhard Blankenburg\n\n\nman unabh\u00e4ngig davon jedoch alle als Rechtsf\u00e4lle behandeln k\u00f6nnte. In jedem der\nman unabh\u00e4ngig davon jedoch alle als Rechtsf\u00e4lle behandeln k\u00f6nnte. In jedem der\nBereiche berichteten etwa zwei Drittel der Befragten aus ihrer Erfahrung in den\nvergangenen f\u00fcnf Jahren von einem rechtsrelevanten Konflikt. Nur zwischen 3 % und\n7 % der Betroffenen waren damit vor Gericht gegangen, zwischen 3 % und 11 % der\nBetroffenen hatten zumindest eine Rechtsberatung aufgesucht. Andere Beratungsstel\u00ad\nlen jedoch waren zwischen 15 % und 25 % konsultiert worden, wobei jeder der Kon\u00ad\nfliktbereiche spezifische Institutionen der Beratung und Interessenvertretung kennt.\nDirekten Kontakt zum Konfliktgegner haben zwischen einem Drittel und der H\u00e4lfte\nder Betroffenen aufgenommen, wobei sich wiederum nach Bereich die Erfolgsaussich\u00ad\nten solcher informeller Konfliktl\u00f6sungsversuche unterscheiden.\nBesonders aufschlu\u00dfreich ist der Vergleich zwischen Verbraucherproblemen (hier wur\u00ad\nden in erster Linie M\u00e4ngel bei der Anschaffung von langlebigen Konsumg\u00fctern\ngenannt, in zweiter Linie Unzufriedenheiten mit den Dienstleistungen von Handwer\u00ad\nkern oder \u00c4rzten) und Problemen im Umgang mit Beh\u00f6rden (\u00fcberwiegend handelte\nes sich hierbei um Klagen \u00fcber schlechte Behandlung oder \u00fcber schlechte Zug\u00e4nglich\u00ad\nkeit): in beiden Bereichen bildet der Gang zum Gericht (mit 3 %) eine Ausnahme, in\nbeiden Bereichen ist das Potential an Unzufriedenheit so gro\u00df, da\u00df 13 % sagen, wenn\nihnen noch einmal \u00e4hnliches passieren w\u00fcrde, w\u00fcrden sie vor Gericht gehen (ob sie dies\ntats\u00e4chlich wahrmachen oder nicht, sei dahingestellt). Beim Beratungsangebot jedoch\nunterscheiden sich beide Bereiche deutlich; W\u00e4hrend 18 % derjenigen, die ein Kon\u00ad\nsumentenproblem genannt haben, eine Beratungsstelle aufsuchten (zu 2/3 eine Rechts\u00ad\nberatung, zu 1/3 eine Organisation des Verbraucherschutzes) haben die Befragten mit\nBeh\u00f6rdenproblemen nur zu 9 % eine Beratung aufgesucht, andere als Rechtsberatun\u00ad\ngen gibt es dabei fast gar nicht. Der Unterschied verdeutlicht, da\u00df die Entscheidungen\nvon Beh\u00f6rden immer schon in Rechtsform ergehen, so da\u00df als Gegenwehr dem Betrof\u00ad\nfenen rechtliche, oder doch zumindest formale Schritte zugemutet werden. \u00c4hnlich\nzeigt sich der Unterschied bei den Schritten unterhalb der Schwelle des Hinzuziehens\neines Dritten; 49 % derjenigen mit Verbraucher-, aber nur 29 % derjenigen mit Beh\u00f6r\u00ad\ndenproblemen haben den Konfliktgegner pers\u00f6nlich angesprochen. W\u00e4hrend dies\nbei dem Kontakt mit Firmen formlos erfolgen kann, mu\u00dften diejenigen, die ihren Kon\u00ad\nflikt mit der Beh\u00f6rde direkt zu regeln versuchten, hierzu ein f\u00f6rmliches Verfahren\nw\u00e4hlen; dies taten nochmals 26 %. Entsprechend der rechtlichen Festlegung war\nhierbei der Erfolg nur gering; 4 % hatten Erfolg, indem sie sich an die Beh\u00f6rde wand\u00ad\nten, w\u00e4hrend 16 % der Verbraucher sich im direkten Kontakt mit der Firma einigen\nkonnten. Den mangelnden Erfolgsaussichten und formalen H\u00fcrden entspricht der\ngro\u00dfe Anteil der Befragten mit Beh\u00f6rdenproblemen, die vor ihrem Problem resignier\u00ad\nten und nichts unternommen haben: im Umgang mit Beh\u00f6rden ist eine solche Resig\u00ad\nnation mit 42 % deutlich h\u00f6her als in allen anderen Bereichen.\nF\u00fcr die rechtlich-relevanten Probleme der Mieter und Arbeitnehmer gibt es sehr viel\nmehr au\u00dferrechtliche Alternativen: zwar gehen hier 3 bzw. 7 % aller in der Befragung\ngenannten Konfliktf\u00e4lle bis vor das Gericht, ungleich h\u00f6her jedoch als in den anderen\nBereichen ist die Inanspruchnahme von anderen Beratungsstellen, die die Interessen\nder jeweils sozial abh\u00e4ngigen Seiten in Miet-, bzw. Arbeitskonflikten sowohl kollektiv\nals auch individuell vertreten. Mietvereine ebenso wie Gewerkschaften \u00fcben Schlich-\nTabelle 2: Rechtliche und au\u00dferrecbtlicbe L\u00f6sungsversuche bei Problemen in vier Bereichen\n\n\nEs haben Probleme genannt            davon haben:\nEs haben Probleme genannt            davon haben:\n\n\neine Beratung\neine Beratung\naufgesucht\nnichts          Kontakt mit         darunter:                             einen Ge\u00ad beim n\u00e4chsten\n\n\n\n\n\nMobilisierung von Recht\nMobilisierung von Recht\nunternommen     Gegener             .mit Erfolg*    Allg.      Rechts\u00ad    richtspro\u00ad Mal w\u00fcrden vor\nN     nachgegeben     aufgenommen         sich geeinigt   Beratung   Beratung   ze\u00df gef\u00fchrt Gericht gehen\n\u2014 mit Beh\u00f6rden               502          42%       pers\u00f6nlich: 29 %         4%             1 %       8%          3%          13 %\nf\u00f6rmlich: 26 %\n\u2014 als Verbraucher            518          26%                     49%       16%            6%        12 %         2%           13 %\n\u2014 als Mieter                 543          23 %                    48%       13 %          27 %       11 %         3%            7%\n\u2014 als Arbeitnehmer           369          24%        pers\u00f6nlich                            15 %        5%         7%           10%\ngeeinigt               22%\nbetriebliche In\u00ad\nstanzen ange\u00ad\nrufen                  43 %\n\n\nQuelle: Eigene Befragung in West-Berlin 1979, Zu falls ausw\u00e4hl aus allen Haushalten mit Deutschen.\nQuelle: Eigene Befragung in West-Berlin 1979, Zu falls ausw\u00e4hl aus allen Haushalten mit Deutschen.\nMehrfachnennungen, % jeweils bezogen auf Personen, die im jeweiligen Bereich ein Problem nennen.", "spans": [{"start": 0, "end": 53, "label": "meta"}, {"start": 54, "end": 134, "label": "blank"}, {"start": 135, "end": 3812, "label": "text"}, {"start": 3813, "end": 3863, "label": "blank"}, {"start": 3864, "end": 3914, "label": "text"}, {"start": 3915, "end": 3929, "label": "blank"}, {"start": 3930, "end": 4053, "label": "text"}, {"start": 4054, "end": 4081, "label": "blank"}, {"start": 4082, "end": 4938, "label": "text"}, {"start": 4939, "end": 5038, "label": "blank"}, {"start": 5039, "end": 5235, "label": "ref"}]}
{"text": "48                                 Erhard Blankenburg\n\n\ntungsfunktionen aus, die rechtliche Auseinandersetzungen vermeiden, und sie bieten\ntungsfunktionen aus, die rechtliche Auseinandersetzungen vermeiden, und sie bieten\nauch Rechtsberatung und Vertretung vor Gericht f\u00fcr die individuelle Rechtsdurch\u00ad\nsetzung an. Da\u00df 15 % bzw. 27 % der Befragten solche Beratungsstellen aufgesucht\nhaben, mag erkl\u00e4ren, da\u00df in diesen Bereichen die Inanspruchnahme von Gerichten ein\nwenig h\u00f6her ist und da\u00df das Potential derjenigen, die einen solchen Fall ,beim n\u00e4ch\u00ad\nsten Mal* bis vor das Gericht tragen w\u00fcrden, hier kleiner, d. h. Rechtsm\u00f6glichkeiten\nbesser ausgesch\u00f6pft sind. Dennoch macht sich das gr\u00f6\u00dfere Beratungsangebot nur als\nSteigerung von wenigen Prozent Gerichtsh\u00e4ufigkeit bemerkbar, wesentlich h\u00e4ufiger\nund erfolgreicher dagegen ist der Versuch der Einigung im direkten Kontakt mit dem\nKonfliktgegner. Mit dem Vermieter haben sich dabei 13 % der Befragten mit Mietpro\u00ad\nblemen auf eine Konfliktl\u00f6sung geeinigt, bei Arbeitnehmerproblemen haben dies 22 %\nin unmittelbarem Kontakt mit Kollegen oder direkten Vorgesetzten getan. 43 %\nhaben andere betriebliche Instanzen in Anspruch genommen, zu etwa gleichen Teilen\nbeim Betriebsrat als eigener Interessenvertretung, oder aber bei der Personalstelle in\nStellvertretung f\u00fcr den Arbeitgeber. Dahinter steht, da\u00df in gr\u00f6\u00dferen Betrieben Kon\u00ad\nflikte schon in intern formalisierter Form abgehandelt werden, so da\u00df zwischen Gro\u00df-\nund Kleinbetrieben erhebliche Unterschiede in der sozialen Distanz und daher auch\nder Chance der Verrechtlichung bestehen. \u00c4hnliches gilt f\u00fcr die unterschiedliche\nKonfliktbehandlung von gro\u00dfen Wohnungsbaugesellschaften und kleinen Hausbesit\u00ad\nzern, die ihre Mieter oft pers\u00f6nlich kennen. Die Formalisierung von Konflikten in\nGro\u00dforganisationen mu\u00df dabei nicht zu einer h\u00f6heren Inanspruchnahme der Gerichte\nf\u00fchren (wie es der allgemeinen These des Zusammenhangs zwischen sozialer Distanz\nund Verrechtlichung entspricht), sondern die formalisierten Konfliktentscheidungen\nk\u00f6nnen die Gerichte geradezu entlasten. Verrechtlichung ist in solchen F\u00e4llen ,inter\u00ad\nnalisiert*, die Gerichte erhalten Konfliktf\u00e4lle nur noch durch den Filter der erfolg\u00ad\nlosen Beilegungsversuche im vorgerichtlichen Raum.\n\n\n\n2.2.2 Der Zugang zu Rechtsanw\u00e4lten und Gerichten\n2.2.2 Der Zugang zu Rechtsanw\u00e4lten und Gerichten\n\n\nWenn man die Daten \u00fcber Konfliktkonstellationen (soweit sie uns in einer Befragung\nWenn man die Daten \u00fcber Konfliktkonstellationen (soweit sie uns in einer Befragung\nangegeben werden) und die alternativen Versuche zu ihrer L\u00f6sung erkl\u00e4ren will, so ver\u00ad\nweist dies teilweise zur\u00fcck auf die Konstellation, in der ein Konflikt entsteht, und\ndarauf, wem jeweils der entscheidende Schritt zur Mobilisierung von Recht zuf\u00e4llt.\nDie weiteren Schritte jedoch mu\u00df man mit Verhaltenstheorien bestimmen, wobei\nsowohl die Sozialmerkmale der jeweils Betroffenen, deren Kostenkalk\u00fcl und auch die\nInfrastruktur von Beratungsangeboten, die Defizite in den F\u00e4higkeiten ausgleichen\nk\u00f6nnen, rechtliche M\u00f6glichkeiten zu erkennen und zu nutzen.\nDies f\u00e4ngt mit Fragen der Wahrnehmung an: wieweit ist dem Betroffenen bewu\u00dft,\nda\u00df er mit einem Rechtsproblem konfrontiert ist? Wir k\u00f6nnen die Analyse fortsetzen\nmit Fragen an die Informiertheit und die F\u00e4higkeit, mit den Erfordernissen der Schrift\u00ad\nlichkeit, der Fristeinhaltung usw. umzugehen; und m\u00fcssen Fragen stellen an die Moti\u00ad\nvationsbarrieren und Schwellen, die vor dem Zugang zu Gericht, oder auch zu einer\nRechtsberatung liegen. Viel ist dar\u00fcber geschrieben worden, da\u00df solche Barrieren", "spans": [{"start": 0, "end": 54, "label": "meta"}, {"start": 55, "end": 138, "label": "blank"}, {"start": 139, "end": 2255, "label": "text"}, {"start": 2256, "end": 2306, "label": "blank"}, {"start": 2307, "end": 2356, "label": "text"}, {"start": 2357, "end": 2440, "label": "blank"}, {"start": 2441, "end": 3578, "label": "text"}]}
{"text": "Mobilisierung von Recht                                  49\n\n\ndesto besser zu \u00fcberwinden sind, je h\u00f6her die Schulbildung ist, je mehr Kontakt zum\ndesto besser zu \u00fcberwinden sind, je h\u00f6her die Schulbildung ist, je mehr Kontakt zum\nRecht und auch zu Rechtsanw\u00e4lten besteht und da\u00df, da das Angebot von Rechtsbera\u00ad\ntung und die Erfordernisse des formalen Rechtsverkehrs auf die F\u00e4higkeiten der Mit\u00ad\ntelschicht eingerichtet ist, solche Barrieren sich f\u00fcr untere Sozialschichten diskriminie\u00ad\nrend auswirken.\nDiese Theorien des .Zugangs zum Recht4 betrachten die Wechselwirkungen des Ange\u00ad\nbots rechtlicher Instanzen und der Dispositionen und F\u00e4higkeiten von Rechtsuchen\u00ad\nden, von einem solchen Angebot Gebrauch zu machen. Sie sprechen von .Barrieren4\ndes Zugangs zum Recht, die in der Sprache der Juristen, in Formvorschriften und Ver\u00ad\nfahrensvoraussetzungen liegen. Sie wenden die gleichen Kriterien an Institutionen der\nder Rechtsberatung an, etwa wenn sie feststellen, da\u00df Rechtsanw\u00e4lte sich in der Form\nihres Beratungsangebots in erster Linie an obere und mittlere Sozialschichten wenden.\nVom Juristen wird dabei in erster Linie die .Kostenbarriere4 gesehen, die eine Partei\ndavon abhalten kann, sich an einen Rechtsanwalt zu wenden19. Jedoch heben alle\nVersuche, den Zugang zu Gericht durch Kostensubvention zu erleichtern, nicht die\nsozialen Barrieren auf. Dies zeigen schon die Erfahrungen mit dem .Armenrecht4 (mit\ndem f\u00fcr Einkommensschwache die Proze\u00dfkosten subventioniert werden), da\u00df solche\nProgramme in erster Linie in Anspruch genommen werden, wenn Rechtszwang oder\n\u00c4mter als \u00bbParteien hinter der Partei4 die Mobilisierung von Instanzen unumg\u00e4nglich\ngemacht haben: so dient das Armenrecht in erster Linie der Proze\u00dfkostenerstattung\nvon Ehescheidungen und von Unterhaltungsprozessen, wo Proze\u00df und Armenrechts\u00ad\nverfahren h\u00e4ufig von dem Sozialamt f\u00fcr die Kl\u00e4gerin betrieben werden20.\nBei Rechtskonflikten, die in fortbestehende Sozialbeziehungen eingreifen, kann man\nannehmen, da\u00df ein Kalk\u00fcl der sozialen Kosten-Nutzen-Relation wichtiger ist als die\nfinanzielle Aufwendung und der Streitwert, um den es im Proze\u00df geht. Man kann sie\nverdeutlichen an der Frage, wieweit eine Rechtsschutzversicherung21 die Proze\u00dfmoti\u00ad\nvation beeinflu\u00dft: sie spielt bei Konflikten, die aus fortbestehenden Sozialbeziehungen\nresultieren, erst sehr sp\u00e4t eine Rolle. Erst wenn der Konflikt soweit gediehen ist, da\u00df\ndie sozialen Kosten des Rechtswegs in Kauf genommen werden (das hei\u00dft auf vielen\nRechtsgebieten, wenn der Abbruch der Sozialbeziehung riskiert wird), kann ein rein\nfinanzielles Kosten-Nutzen-Kalk\u00fcl einsetzen: lohnt sich ein Rechtsanwalt und ein\nGerichtsproze\u00df angesichts des Streitwerts und der Erfolgsaussicht eines Prozesses?\nAuch hier mag das Kalk\u00fcl nicht allein in Geldw\u00e4hrung vollzogen werden, sondern von\naffektiven Momenten \u00fcberlagert sein (,Dem zeige ich es, gleich, was es koste4), jedoch\nsollte man hier bei Unterstellung eines rationalen Kalk\u00fcls erwarten, da\u00df die Fortnahme\n\n\n\n19   Explizit bei Baumg\u00e4rtei 1976, S. 113-128.\n19   Explizit bei Baumg\u00e4rtei 1976, S. 113-128.\n20   Laut einer GMD-Erhebung aus der Z\u00e4hlkartenstatistik wurde in Baden-W\u00fcrttemberg 1978 in\n25,6 % aller Scheidungssachen vor dem Familiengericht Armenrecht beantragt, 35,6 % bei\n25,6 % aller Scheidungssachen vor dem Familiengericht Armenrecht beantragt, 35,6 % bei\nUnterhaltsklagen. 1976 (nach alten Familien recht) sind die Anteile 14,2 % bei den Schei\u00ad\ndungsprozessen und 42,79 % bei den Unterhaltsklagen. Zum Vergleich: Bei Mietsachen wird\nin etwa 2 % das Armenrecht beantragt (GMD-Erhebung), bei Zivilprozessen vor dem Amts\u00ad\ngericht insgesamt (laut Z\u00e4hlkartenstatistik) 0,4 % (m\u00fcndliche Mitteilung von J\u00f6rg Dotter\u00ad\nweich).\n21   Projektbericht .Rechtsschutzversicherung* (Blankenburg; Fiedler), Ver\u00f6ffentlichung voraus\u00ad\n21   Projektbericht .Rechtsschutzversicherung* (Blankenburg; Fiedler), Ver\u00f6ffentlichung voraus\u00ad\nsichtlich Mitte 1980.", "spans": [{"start": 0, "end": 60, "label": "meta"}, {"start": 61, "end": 145, "label": "blank"}, {"start": 146, "end": 2982, "label": "text"}, {"start": 2983, "end": 3031, "label": "blank"}, {"start": 3032, "end": 3257, "label": "ref"}, {"start": 3258, "end": 3802, "label": "text"}, {"start": 3803, "end": 3921, "label": "ref"}]}
{"text": "50                                    Erhard Blankenburg\n\n\ndes finanziellen Kostenrisikos durch die Rechtsschutzversicherung die Proze\u00dfwahr\u00ad\ndes finanziellen Kostenrisikos durch die Rechtsschutzversicherung die Proze\u00dfwahr\u00ad\nscheinlichkeit erh\u00f6ht.\nTats\u00e4chlich zeigen Befragungen, da\u00df Rechtsschutzversicherte h\u00e4ufiger Rechtsanw\u00e4lte\nund Gerichte in Anspruch nehmen. Jedoch l\u00e4\u00dft sich eine solche Korrelation nicht\nalleine als Auswirkung der Versicherung auf das Verhalten interpretieren, vielmehr\nmu\u00df man zugleich auch Indikatoren f\u00fcr die umgekehrte Kausalrichtung anf\u00fchren, nach\nder sich Rechtsschutzversicherte \u00fcberwiegend aus denjenigen rekrutieren, die ohnedies\nam ehesten Kenntnisse \u00fcber und Kontakt zu Recht und juristischen Institutionen\nhaben. Einen Anhaltspunkt f\u00fcr die ,Rekrutierungsthese4 bieten die Daten dar\u00fcber, da\u00df\nRechtsschutzversicherte auch h\u00e4ufiger beruflich bei Gericht zu tun haben, besonders\ndeutlich allerdings, da\u00df sie h\u00e4ufiger beim Rechtsanwalt waren. In diesen Rahmen\ngeh\u00f6rt auch, da\u00df sie ebenso h\u00e4ufiger von anderer Seite verklagt worden sind, wie sie\nh\u00e4ufiger selbst vor Gericht gehen. Rechtsschutzversicherte haben passiv wie aktiv mehr\nKontakte zum Recht, ohne da\u00df dabei die selbstt\u00e4tige Mobilisierung \u00fcberproportional\nheraus ragen w\u00fcrde.\nDas Abschlie\u00dfen einer Rechtsschutzversicherung steht also im Kontext mit insgesamt\nh\u00e4ufigerem Rechtskontakt. Auf der einen Seite reift der Entschlu\u00df hierzu, nachdem\nErfahrungen mit Rechtsanwalt und Gerichten gemacht wurden, zugleich aber erh\u00f6ht\neine solche Versicherung die Wahrscheinlichkeit weiterer Mobilisierung von Rechts\u00ad\nanw\u00e4lten und Gerichten.\nRechtsschutzversicherungen allerdings werden nur selektiv, in wenigen Lebensbe\u00ad\nreichen in Anspruch genommen. Zwei Drittel aller F\u00e4lle, in denen Rechtsschutzver\u00ad\nsicherungen in Anspruch genommen werden, stehen im Zusammenhang mit dem Auto\u00ad\nbesitz, wobei etwa 40 % auf die Gegenwehr gegen Ordnungsstrafen und strafrechtliche\nVerfolgung im Zusammenhang mit dem Verkehrsverhalten entfallen, 25 % auf zivil\u00ad\nrechtliche Streitigkeiten nach einem Verkehrsunfall. Die \u00dcbernahme des Kostenrisikos\ndurch eine Versicherung erh\u00f6ht also in erster Linie im Bereich der anonymen Sozial\u00ad\nbeziehungen die Wahrscheinlichkeit der Mobilisierung von Recht. In anderen Rollen-\n\n\n\nTabelle 3: Kontakte mit Gerichten/Anw\u00e4lten und Rechtsschutzversicherung\nTabelle 3: Kontakte mit Gerichten/Anw\u00e4lten und Rechtsschutzversicherung\n\n\n\n\nQuelle: Eigene Befragung in Berlin (West) 1979, Zufallsauswahl aus allen Haushalten mit Deut\u00ad\nQuelle: Eigene Befragung in Berlin (West) 1979, Zufallsauswahl aus allen Haushalten mit Deut\u00ad\nschen.", "spans": [{"start": 0, "end": 57, "label": "meta"}, {"start": 58, "end": 140, "label": "blank"}, {"start": 141, "end": 2272, "label": "text"}, {"start": 2273, "end": 2346, "label": "blank"}, {"start": 2347, "end": 2419, "label": "text"}, {"start": 2420, "end": 2516, "label": "blank"}, {"start": 2517, "end": 2618, "label": "text"}]}
{"text": "Mobilisierung von Recht                        51\n\n\nbereichen etwa als Verbraucher, als Mieter oder als Arbeitnehmer beobachten wir bei\nbereichen etwa als Verbraucher, als Mieter oder als Arbeitnehmer beobachten wir bei\nRechtsschutzversicherten zwar auch eine h\u00f6here Inanspruchnahme von Rechtsanw\u00e4l\u00ad\nten und Gerichten, zugleich jedoch nehmen die Versicherten auch alternative Formen\nder Beratung erh\u00f6ht in Anspruch. Sie sind also insgesamt aktiver; hierunter f\u00e4llt, da\u00df\nsie auch eher eine Rechtsschutzversicherung abschlie\u00dfen; das damit entfallende Ko\u00ad\nstenrisiko h\u00e4lt sie jedoch nicht davon ab, andere Konfliktl\u00f6sungsm\u00f6glichkeiten zu ver\u00ad\nsuchen, bevor sie zum Rechtsanwalt gehen (oder auch anstatt zum Rechtsanwalt zu\ngehen).\nDie Abnahme des Kostenrisikos ist also nur ein Teil der Kompensation von Zugangs\u00ad\nbarrieren. Sie wirkt nur dort, wo die finanziellen Kosten ausschlaggebend und keine\nsozialen Kosten der Belastung einer Beziehung in Rechnung gestellt werden m\u00fcssen.\nSie hebt auch die Barriere nicht auf, da\u00df Betroffene nicht die F\u00e4higkeit haben, ein\nRechtsproblem als solches zu erkennen oder einen Rechtsanwalt zu finden. Daher ist\nauch bei den Rechtsschutzversicherungen nicht nur die finanzielle Risiko\u00fcbernahme\nf\u00fcr die Zugangsverbesserung zum Recht ma\u00dfgeblich, sondern auch die Auskunftshilfe\nzum Verweis an einen bestimmten Rechtsanwalt. Unsere Befragung hat gezeigt, da\u00df\nje nach Rollenbereich unterschiedliche und insgesamt eine Vielzahl von vermittelnden\nInstitutionen aufgesucht werden, die in unterschiedlichem Ma\u00df an Rechtsanw\u00e4lte oder\nauch direkt an Gerichte verweisen. Man kann solche Differenzierung zus\u00e4tzlich auch\nsozialspezifisch vornehmen: f\u00fcr die Kompensation von Zugangsbarrieren ist entschei\u00ad\ndend die Form, in der Rcchtsberatung angeboten wird. Dort wo es Programme f\u00fcr die\nSubvention au\u00dfergerichtlicher Rechtsberatung gibt (wie in England, Kanada, den USA,\nSchweden und den Niederlanden), haben sich neben den traditionellen Anwaltskanz\u00ad\nleien sehr schnell neue Formen von Rechtsberatung entwickelt, die sich auf die Rechts\u00ad\nprobleme sozial Schwacher spezialisiert haben. Dabei entwickeln sie Strategien, nicht\nnur das rechtliche Interesse in einem Einzelfall zu vertreten, sondern die Probleme von\nMieter- oder Arbeitnehmergruppen, oder auch die sozialen Spannungen eines Stadt\u00ad\nviertels zu thematisieren. Die Mobilisierung rechtlicher Instanzen bildet in solchen\nGruppen h\u00e4ufig nur einen Teil der Strategie, die durch Aktivit\u00e4ten in einer politischen\nArena erg\u00e4nzt wird22.\nRechtshilfeeinrichtungen, die sich gezielt der Interessen bestimmter sozialer Gruppen\nannehmen, haben selbst in Deutschland eine Tradition: so etwa haben die Gewerk\u00ad\nschaften die Rechtsberatung von Mitgliedern in einzelnen Konflikten mit der Durch\u00ad\nsetzung kollektiver Arbeitnehmerinteressen verkn\u00fcpft, ebenso haben Mietervereine\noder Konsumentenschutz-Organisationen sich auf die Vertretung der Seite sozial\nSchw\u00e4cherer in einer bestimmten Interessenkonstellation spezialisiert, und vertreten\ndiese sowohl durch individuelle Beratung und Proze\u00dfvertretung als auch auf der poli\u00ad\ntischen Ebene von publizistischer und lobbyistischer Aktivit\u00e4t23. Diese Kombinationen\nvon individueller Rechtsdurchsetzung mit politischen Strategien zeigen den flie\u00dfenden\n\u00dcbergang der Mobilisierung von rechtlichen Instanzen zur Ver\u00e4nderung von geltendem\nRecht: dort wo bestehende Rechtsanspr\u00fcche bislang \u00fcberwiegend im Dunkelfeld der\nNicht-Inanspruchnahme verblieben sind, entstehen mit zunehmender Mobilisierung\n\n\n22   Vgl. auch Reifner/Gorges 1980.\n22   Vgl. auch Reifner/Gorges 1980.\n23   Reifner 1979.", "spans": [{"start": 0, "end": 50, "label": "meta"}, {"start": 51, "end": 135, "label": "blank"}, {"start": 136, "end": 3500, "label": "text"}, {"start": 3501, "end": 3537, "label": "blank"}, {"start": 3538, "end": 3593, "label": "ref"}]}
{"text": "52                                    Erhard Blankenburg\n\n\n\nf\u00fcr die Rechtsdogmatik neuartige Fragestellungen, die sowohl Rechtsprechung als\nf\u00fcr die Rechtsdogmatik neuartige Fragestellungen, die sowohl Rechtsprechung als\nauch Rechtsetzung in Bewegung setzen k\u00f6nnen. Aus diesem Grund kann man erwar\u00ad\nten, da\u00df mit Ver\u00e4nderungen der Infrastruktur von Zugangsinstitutionen zum Recht\ndieses auch im materiellen Inhalt unter Ver\u00e4nderungsdruck ger\u00e4t.\nZugleich wird damit der Rechtfertigungscharakter einer Theorie24 widerlegt, die das\nInanspruchnehmen der Gerichte \u00fcberwiegend durch obere Sozialschichten auf eine\nsoziale Verteilung von rechtlich relevanten Problemen zur\u00fcckf\u00fchrt. Nach dieser\nTheorie ist die Verteidigung von Eigentum und seine Verwaltung daf\u00fcr verantwortlich,\nda\u00df sich obere und mittlere Sozialschichten h\u00e4ufiger an Rechtsanw\u00e4lte und Gerichte\nwenden. Sie erkl\u00e4rt damit die faktische Sozialverteilung der Mobilisierung von Recht\nund l\u00e4\u00dft au\u00dfer acht das Dunkelfeld der potentiellen, aber nicht mobilisierten Rechts\u00ad\nprobleme. Soweit deren Mobilisierung von dem Angebot an Rechtsberatung und -Ver\u00ad\ntretung abh\u00e4ngt, spiegelt die Schichtverteilung vor Gericht eher die soziale Selektivit\u00e4t\nder Infrastruktur dieser vermittelnden Institutionen wider als die Schichtverteilung von\nrelevanten Problemen.\n\n\n\n2.2.3 Hartn\u00e4ckigkeit der Parteien und Erfolgschancen vor Gericht\n2.2.3 Hartn\u00e4ckigkeit der Parteien und Erfolgschancen vor Gericht\n\n\nNach einem rationalen Verhaltensmodell w\u00e4re der Gang zum Gericht nur dort n\u00f6tig,\nNach einem rationalen Verhaltensmodell w\u00e4re der Gang zum Gericht nur dort n\u00f6tig,\nwo Rechtsfragen tats\u00e4chlich ungewi\u00df bleiben, mithin unterschiedliche juristische\nEinsch\u00e4tzungen m\u00f6glich sind. Dort wo die Rechtslage unumstritten ist, m\u00fc\u00dften beide\nSeiten den Ausgang eines Prozesses antizipieren k\u00f6nnen und sie k\u00f6nnten sich damit die\nKosten von Verfahren und Rechtsvertretung sparen. In der Regel sind solche Einsch\u00e4t\u00ad\nzungen der Gegenstand des ersten Gespr\u00e4chs in der Beratung mit einem Anwalt:\nwelche Erfolgsaussichten hat ein Anspruch vor Gericht? Welcher finanzielle und zeit\u00ad\nliche Aufwand wird n\u00f6tig sein? Wenn man davon ausgeht, da\u00df beide Seiten ein solches\nKalk\u00fcl aufstellen, dann m\u00fc\u00dfte im Bereich der sicheren Erwartungen ein Rechtsstreit\nvermeidbar sein: nach Abw\u00e4gung der Chancen m\u00fc\u00dfte eine Seite aufgeben, sobald sie\ngesehen hat, da\u00df die andere es tats\u00e4chlich auf einen Rechtsstreit ankommen l\u00e4\u00dft.\nWie h\u00e4ufig dies der Fall ist, kann man an der Beratungst\u00e4tigkeit von Anw\u00e4lten erse\u00ad\nhen, bei denen es nicht zum forensischen Streit kommt, und man kann es zum Teil\nauch an den Erledigungen bei Gericht durch Zur\u00fcckziehen der Klage, Vers\u00e4umnis\u00ad\noder Anerkenntnisurteil sehen. Oft ist eine sichere Voraussage m\u00f6glich, wenn ein Pro\u00ad\nze\u00df eine Weile gef\u00fchrt ist, bis beide Parteien ihre Argumentation und ihr Beweisma\u00ad\nterial vorgelegt haben-, und dies macht dann m\u00f6glich, den Ausgang des Rechtsstreits\ndurch vorzeitige Erledigung oder Vergleich vorwegzunehmen. Eine solche Theorie l\u00e4\u00dft\njedoch au\u00dfer acht, da\u00df es manchen Parteien nur darauf ankommt, Zeit zu gewinnen\n(etwa um einen Gl\u00e4ubiger eine Weile hinzuhalten); oder aber da\u00df eine Seite auf ihre\n\u00dcberlegenheit im Umgang mit rechtlichen Verfahren baut, und somit trotz juristisch\nschwacher Position einen Proze\u00dferfolg zu erreichen hofft. Die wenigen empirischen\nArbeiten zum Proze\u00dfverhalten, die es bislang gibt, zeigen die \u00dcberlegenheit von Par\u00ad\n\n\n24   Klassisch bei Carlin/Howard/Messinger 1967.\n24   Klassisch bei Carlin/Howard/Messinger 1967.", "spans": [{"start": 0, "end": 57, "label": "meta"}, {"start": 58, "end": 139, "label": "blank"}, {"start": 140, "end": 1306, "label": "text"}, {"start": 1307, "end": 1373, "label": "blank"}, {"start": 1374, "end": 1439, "label": "text"}, {"start": 1440, "end": 1521, "label": "blank"}, {"start": 1522, "end": 3424, "label": "text"}, {"start": 3425, "end": 3474, "label": "blank"}, {"start": 3475, "end": 3524, "label": "ref"}]}
{"text": "Mobilisierung von Recht                                 53\n\n\n\nteien, die h\u00e4ufig vor Gericht stehen und die damit ihre Verfahrensm\u00f6glichkeiten fak\u00ad\nteien, die h\u00e4ufig vor Gericht stehen und die damit ihre Verfahrensm\u00f6glichkeiten fak\u00ad\ntisch geschickter einsetzen und ihre Gewinnchancen besser kalkulieren k\u00f6nnen25.\nJe gr\u00f6\u00dfer die Ungleichheit dieser Kompetenz zwischen den Parteien, desto wahrschein\u00ad\nlicher ist die Mobilisierung von rechtlichen Instanzen aus einem Kalk\u00fcl taktischen Vor\u00ad\nteils. Je mehr die Kompetenz f\u00fcr ein solches Kalk\u00fcl gleich verteilt ist, desto wahr\u00ad\nscheinlicher ist die Antizipation des Ausgangs und damit auch das Vermeiden eines\nRechtsstreits.\nGerichtsstatistiken zeigen, da\u00df Meideverhalten sogar im Proze\u00df weitverbreitet ist. Mehr\nals die H\u00e4lfte aller Zivilprozesse enden damit, da\u00df eine der Parteien aufgibt, entweder\nweil sie gar nicht erst vor Gericht erscheint, oder aber den Anspruch der anderen Seite\nanerkennt. Weitgehend verhandeln die Parteien und ihre Rechtsanw\u00e4lte gleichzeitig\nau\u00dfergerichtlich. Zuweilen wird sogar eine Klage nur erhoben, um solche Auseinander\u00ad\nsetzungen mit einer ausdr\u00fccklichen Drohung eines Rechtsstreits zu versehen. Das Ge\u00ad\nricht erf\u00e4hrt hiervon nur indirekt, etwa wenn die Parteien nicht mehr zum angesetzten\nTermin erscheinen, wenn der Kl\u00e4ger der Aufforderung zu einem Kostenvorschu\u00df nicht\nnachkommt; oder aber ausdr\u00fccklich: wenn die Beklagtenseite den Anspruch anerkennt\noder die Kl\u00e4gerseite verzichtet. Die H\u00e4ufigkeit solcher vorzeitigen Erledigungen ist\nwiederum unterschiedlich je nach Rechtsbereich. Sie verweist zur\u00fcck auf die jeweiligen\nAusgangskonstellationen, unter denen Recht mobilisiert worden ist. Deshalb kann man\ndie H\u00e4ufigkeiten, mit denen vor Gericht zwischen den Parteien ein Vergleich geschlos\u00ad\nsen wird, oder aber in denen hartn\u00e4ckig bis zum streitigen Urteil, und m\u00f6glicherweise\nsogar in die Berufung gestritten wird, nur getrennt nach Streitgegenst\u00e4nden analysie\u00ad\nren.\nBeim Amtsgericht \u00fcberwiegen insgesamt die Prozesse, die vorzeitig erledigt werden \u2014\nsei dies, weil der Beklagte nicht erscheint, und deshalb ein Vers\u00e4umnisurteil gegen\nihn ergeht; sei es, weil er die Forderung des Kl\u00e4gers anerkennt, oder auch schon begli\u00ad\nchen hat, weswegen die Klage zur\u00fcckgenommen oder der Proze\u00dfkostenvorschu\u00df schon\ngar nicht erst bezahlt wird. Man kann dahinter ein rationales Kalk\u00fcl vermuten, entwe\u00ad\nder weil es dem Beklagten um einen Zeitgewinn geht (typisch ist dies bei R\u00e4umungs\u00ad\nklagen vor dem Mietgericht der Fall, aber auch bei Zahlungsforderungen); oder auch\nweil der Beklagte testen will, ob die andere Seite tats\u00e4chlich bis vor Gericht gehen und\ndamit auch den damit f\u00e4lligen Kostenvorschu\u00df bezahlen will. In der Minderheit der\nvorzeitigen Erledigungen vor dem Amtsgericht (und auch nur bei einem Teil der \u00bbKlage\u00ad\nr\u00fccknahmen*) verzichtet der Kl\u00e4ger tats\u00e4chlich auf seinen Anspruch: Bender/Schu-\nmacher kommen bei einer Einsch\u00e4tzung des au\u00dfergerichtlichen Erfolgs, der sich hinter\nder vorzeitigen Erledigung eines Prozesses verbirgt, darauf, da\u00df in 4 von 5 (der f\u00fcr sie\nerkennbaren) F\u00e4lle der Beklagte die Forderung des Kl\u00e4gers erf\u00fcllt, in 1 von 5 F\u00e4llen\nhat der Kl\u00e4ger die Forderung aufgegeben26.\nHinter den vorzeitigen Erledigungen verbergen sich also Aushandlungsprozesse, in\ndenen die Tatsache der gerichtlichen Klage ein Signal der Kl\u00e4gerpartei bedeutet, da\u00df\n\n\n25   Grunds\u00e4tzlich vgl. hierzu den klassischen Beitrag von Galanter 1974, S. 95\u2014160. Die gr\u00f6s\u00ad\n25   Grunds\u00e4tzlich vgl. hierzu den klassischen Beitrag von Galanter 1974, S. 95\u2014160. Die gr\u00f6s\u00ad\nseren Chancen von Firmen, insbesondere bei der gro\u00dfen Zahl von vorstreitigen Erledigungen\nzeigt Sarat 1976, S. 339-375.\n26   Bender/Schumachcr 1980, S. 138.", "spans": [{"start": 0, "end": 59, "label": "meta"}, {"start": 60, "end": 146, "label": "blank"}, {"start": 147, "end": 3345, "label": "text"}, {"start": 3346, "end": 3441, "label": "blank"}, {"start": 3442, "end": 3694, "label": "ref"}]}
{"text": "54                                      Erhard Blankenburg\n\n\nTabelle 4: Ausgang von Prozessen vor verschiedenen Gerichten\nTabelle 4: Ausgang von Prozessen vor verschiedenen Gerichten\n\n\n\n\nQuellen:    1 GMD-Erhebung, Amtsgerichte BRD 1971\nQuellen:    1 GMD-Erhebung, Amtsgerichte BRD 1971\n2 Eigene Erhebung, Arbeitsgericht Berlin, Gerichtsregister 1976\n2 Eigene Erhebung, Arbeitsgericht Berlin, Gerichtsregister 1976\n3 Z\u00e4hlkarten-Statistik, Statist. Bundesamt: Fachserie 10 (Rechtspflege), Reihe 2, 1 (Zi\u00ad\nvilgerichte), 1971 und 1978\n\n\n\nsie auch vor einer Mobilisierung der Gerichte nicht zur\u00fcckschreckt. Allein diese Dro\u00ad\nsie auch vor einer Mobilisierung der Gerichte nicht zur\u00fcckschreckt. Allein diese Dro\u00ad\nhung gen\u00fcgt h\u00e4ufig, um den Konflikt beizulegen. Auff\u00e4llig ist, da\u00df solche Erledigungen\nbei Unterhaltsprozessen, nach einem Verkehrsunfall und bei Forderungen im Mietver\u00ad\nh\u00e4ltnis selten sind: dies sind die Proze\u00dfarten vor dem Amtsgericht, die au\u00dfergew\u00f6hnlich\nh\u00e4ufig (zu mehr als 40 %) bis zum streitigen Urteil durchgefochten werden. Bei Ver\u00ad\nkehrsunf\u00e4llen entspricht dies unserer Theorie, nach der die Wahrscheinlichkeit der\nVerrechtlichung (hier auch innerhalb des Prozesses) mit der Fremdheit in der Sozial\u00ad\nbeziehung steigt: bei der Schadensregulierung nach Verkehrsunf\u00e4llen treten die Par\u00ad\nteien selbst selten auf, besonders h\u00e4ufig sind sie durch Rechtsanw\u00e4lte auf beiden Seiten\n(fast immer auf Seiten des Kl\u00e4gers) vertreten, und in der Regel steht hinter den Parteien\nMobilisierung von Recht                                  55\n\n\n\njeweils (oft hinter der Kl\u00e4gerpartei, fast immer hinter dem Beklagten) eine Haftpflicht\u00ad\njeweils (oft hinter der Kl\u00e4gerpartei, fast immer hinter dem Beklagten) eine Haftpflicht\u00ad\nversicherung, die f\u00fcr Schadensersatzanspr\u00fcche aufkommen mu\u00df. Da\u00df hier eine beson\u00ad\ndere Hartn\u00e4ckigkeit bis zum streitigen Urteil vorliegt, und nicht die Natur des Streit\u00ad\ngegenstandes vorzeitige Erledigungen verhindert, geht daraus hervor, da\u00df im streitigen\nUrteil (siehe Tabelle 5) bei Verkehrsunf\u00e4llen ungew\u00f6hnlich h\u00e4ufig beiden Seiten ein\nTeil des Erfolges zugesprochen wird (und nicht, wie sonst \u00fcblich, entweder die eine\noder die andere Seite \u00fcberwiegend gewinnt27). Bei Unterhaltsprozessen dagegen\nspricht die Erfolgsverteilung eindeutig f\u00fcr den Kl\u00e4ger (siehe Tabelle 5), die geringe\nVergleichsh\u00e4ufigkeit ist hier (genau umgekehrt zum Verkehrsproze\u00df) eine Folge der\neindeutigen Rechtsposition der Kl\u00e4ger(innen). Bei Mietforderungen l\u00e4\u00dft sich aus der\n\n\n\nTabelle 5: Erfolg des Kl\u00e4gers im Zivilgericbt vor dem Amtsgericht nach Proze\u00dfgegenstand\nTabelle 5: Erfolg des Kl\u00e4gers im Zivilgericbt vor dem Amtsgericht nach Proze\u00dfgegenstand\n\n\nVoller          Voller Erfolg\nVoller          Voller Erfolg\nGesamterfolg (alle    im streitigen\nErledigungsarten)        Urteil\nZivilprozessc um private Schulden1\n(alle Kl\u00e4ger)                                                    64 %               48%\nZivilprozesse um private Schulden1\n(nur nat\u00fcrliche Personen als Kl\u00e4ger)                             46 %               36%\nZivilprozesse nach Verkehrsunfall2                                   23 %               19 %\nUnterhaltsforderungen, Kindschaftssachen                             67 %               64%\nMietprozesse2 \u2014 R\u00e4umungsklagen                                       88%                65 %\n\u2014 sonstige Mietprozesse                              44%                41 %\n\n\nErfolg des Kl\u00e4gers vordem Arbeitsgericht3\nErfolg des Kl\u00e4gers vordem Arbeitsgericht3\n\n\nGesamterfolg mit        streitiges\nGesamterfolg mit        streitiges\nbzw. ohne Vergleich4        Urteil\nK\u00fcndigungsklagen                                                69 bzw. 19              49%\nKlagen wegen Arbeits- oder Urlaubsentgelt                       78 bzw. 41              65 %\n\n\n\nQuellen:     1   Bender/Schumacher, Amtsgericht Stuttgart\nQuellen:     1   Bender/Schumacher, Amtsgericht Stuttgart\n2   GMD-Erhebung, Amtsgerichte BRD 1971\n3   Eigene Erhebung, Arbeitsgericht Berlin, Gerichtsregister 1976.\n4   .Erfolg* wurde an den Zivilgerichten durchgehend gem\u00e4\u00df dem Kostenbeschlu\u00df des\nGerichtes operationalisiert, beim Arbeitsgericht wurde die Eintragung in die Regi\u00ad\nsterb\u00fccher \u00fcber .Gesamterfolg* \u00fcbernommen. Dies schlie\u00dft bei K\u00fcndigungsklagen\nauch die Festsetzung einer Abfindung f\u00fcr den Kl\u00e4ger ein. Entsprechend kann man\nhier alle Vergleiche ebenso als Erfolg werten (d. h. man unterstellt, da\u00df K\u00fcndigungs\u00ad\nkl\u00e4ger den Anspruch auf Wiedereinstellung nur formal verfolgen). Macht man diese\nUnterstellung nicht, m\u00fc\u00dfte man die Vergleiche vor dem Arbeitsgericht \u2014 analog\nder Operationalisierung beim Zivilgericht \u2014 als Teilerfolg, also nicht als vollen Ge\u00ad\nsamte rfolg einstufen.\n\n\n\n\n27     Steinbach 1979, S. 96 ff, vgl. auch Blankenburg/Blankenburg/Morasch 1972, S. 89, Fn. 17,\n27     Steinbach 1979, S. 96 ff, vgl. auch Blankenburg/Blankenburg/Morasch 1972, S. 89, Fn. 17,", "spans": [{"start": 0, "end": 59, "label": "meta"}, {"start": 60, "end": 121, "label": "blank"}, {"start": 122, "end": 183, "label": "text"}, {"start": 184, "end": 236, "label": "blank"}, {"start": 237, "end": 350, "label": "text"}, {"start": 351, "end": 532, "label": "ref"}, {"start": 533, "end": 620, "label": "blank"}, {"start": 621, "end": 1540, "label": "text"}, {"start": 1541, "end": 1631, "label": "blank"}, {"start": 1632, "end": 2476, "label": "text"}, {"start": 2477, "end": 2566, "label": "blank"}, {"start": 2567, "end": 2655, "label": "text"}, {"start": 2656, "end": 2686, "label": "blank"}, {"start": 2687, "end": 3386, "label": "text"}, {"start": 3387, "end": 3429, "label": "blank"}, {"start": 3430, "end": 3472, "label": "text"}, {"start": 3473, "end": 3508, "label": "blank"}, {"start": 3509, "end": 3764, "label": "text"}, {"start": 3765, "end": 3824, "label": "blank"}, {"start": 3825, "end": 4666, "label": "text"}, {"start": 4667, "end": 4765, "label": "blank"}, {"start": 4766, "end": 4862, "label": "ref"}]}
{"text": "56                                    Erhard Blankenburg\n\n\nLiteratur keine Erkl\u00e4rung f\u00fcr die Hartn\u00e4ckigkeit der Parteien bis zum streitigen Urteil\nLiteratur keine Erkl\u00e4rung f\u00fcr die Hartn\u00e4ckigkeit der Parteien bis zum streitigen Urteil\nbelegen: die Vermutung liegt nahe, da\u00df \u00e4hnlich wie bei Arbeitsgerichtsprozessen aus\ngro\u00dfen Unternehmungen der Mobilisierung von Gerichten ein langer Konfliktproze\u00df\nvorausgegangen ist, so da\u00df vor Gericht nur die besonders hartn\u00e4ckigen F\u00e4lle erschei\u00ad\nnen. Reifner berichtet von Gro\u00dfvermietern, die trotz fehlender Erfolgsaussichten bis\nzum streitigen Urteil prozessieren, weil sie sich allein von der Bel\u00e4stigung der Mieter\ndurch Gerichtsprozesse ein Nachgeben oder die R\u00e4umung versprechen (die rechtlich\nnicht durchsetzbar w\u00e4re)28.\nIm Vergleich zu allen Prozessen vor dem Zivilgericht ist das Arbeitsgericht besonders\nvergleichsfreudig. Der Proze\u00dfrechtler wird sogleich auf die im Arbeitsgerichtsverfahren\nobligatorische G\u00fcteverhandlung vor Eintreten in das streitige Verfahren verweisen, in\nder viele der ansonsten als \u00bbvorzeitige Erledigung* abgeschlossenen F\u00e4lle ausdr\u00fccklich\nals ,g\u00fctliche Einigung* registriert werden. Wichtiger noch ist \u00fcber das Proze\u00dfrecht\nhinaus das Vergleichsbem\u00fchen der Arbeitsrichter auch im streitigen Verfahren st\u00e4rker,\nso da\u00df auch nach der G\u00fcteverhandlung vor den Arbeitsgerichten mehr Vergleiche\ngeschlossen als streitige Urteile gesprochen werden. Besonders zeigt sich dies bei den\nKlagen gegen eine K\u00fcndigung, die \u00fcberwiegend damit enden, da\u00df das Arbeitsverh\u00e4lt\u00ad\nnis selbst zwar aufgel\u00f6st wird, die Bedingungen hierf\u00fcr aber, dabei vor allem die\nfinanzielle Abfindung, vor Gericht von dem klagenden Arbeitnehmer verbessert wer\u00ad\nden29 .\n\u00c4hnlich wie bei K\u00fcndigungsklagen vor dem Arbeitsgericht geht es auch bei Scheidungs\u00ad\nklagen vor dem Familiengericht \u00fcberwiegend nicht mehr um die Aufrechterhaltung der\nSozialbeziehung. Ausgenommen hiervon sind nur die 19 % der Scheidungsklagen,\ndie zur\u00fcckgenommen werden \u2014 hier blieb es bei der Drohung. Nach altem Recht (vor\n1977) wurden weitere 10 % von den Gerichten als .erledigt* weggelegt, weil die Kl\u00e4ger\ndas Verfahren nicht betrieben haben, die beklagte Partei nicht erreichbar war, o. \u00e4.\n(Ein Teil dieser Prozesse f\u00fchrt mit Zeitverz\u00f6gerung doch zu einem Scheidungsurteil,\nein Teil wird nicht wieder aufgenommen; Zahlen hier\u00fcber liegen nicht vor.) Nach\nneuem Recht ist die Zahl der ,Wartenden* gestiegen \u2014 teils wegen der Rechtsunsicher\u00ad\nheit unmittelbar nach Einf\u00fchrung (und damit als \u00dcbergangserscheinung), teils wegen\ndes Zeitverzugs bei den Ausk\u00fcnften f\u00fcr einen Versorgungsausgleich, teils aus materiell\u00ad\nrechtlichen Gr\u00fcnden, um Fristen f\u00fcr eine nichteinverst\u00e4ndliche Ehescheidung abzuwar\u00ad\nten. Von diesen Verz\u00f6gerungsgr\u00fcnden abgesehen, bleibt jedoch f\u00fcr den Rest aller\nScheidungsklagen, da\u00df sie fast immer (mit Ausnahme von je 1 %) zu der eingeklagten\nScheidung f\u00fchren. Mehr als die H\u00e4lfte aller Scheidungsurteile wurde einverst\u00e4ndlich\nvon beiden Parteien erreicht, und hinter dem Urteil verbergen sich durchschnittlich\n1,36 Teilvergleiche \u00fcber Regelungen in Folgesachen der Scheidung usw.). Auch nach\nneuem Recht ist in der \u00fcberwiegenden Zahl der Scheidungsprozesse der tats\u00e4chliche\nAushandlungsproze\u00df au\u00dferhalb des Verfahrens erfolgt. Das Gericht wird bei mehr als\nder H\u00e4lfte der Scheidungsf\u00e4lle lediglich in seiner notariellen Funktion bem\u00fcht, um die\nzwischen den Parteien erreichte Konvention mit Rechtskraft zu versehen.\n\n\n\n28   Reifner 1978.\n28   Reifner 1978.\n29   Blankenburg/Sch\u00f6nholz; Rogowski 1979, S. 102 ff.", "spans": [{"start": 0, "end": 57, "label": "meta"}, {"start": 58, "end": 146, "label": "blank"}, {"start": 147, "end": 3441, "label": "text"}, {"start": 3442, "end": 3462, "label": "blank"}, {"start": 3463, "end": 3536, "label": "ref"}]}
{"text": "Mobilisierung von Recht                                 57\n\n\nEbenso wie den Selektionsproze\u00df vor der Bem\u00fchung von Gerichten kann man auch\nEbenso wie den Selektionsproze\u00df vor der Bem\u00fchung von Gerichten kann man auch\ndas Verfahren selbst als einen Filter darstellen, der eine Vielzahl von Beilegungsm\u00f6g\u00ad\nlichkeiten auf geringerer Stufe der Verrechtlichung vorsieht30. \u00dcberwiegend setzt sich\ndabei bei den meisten Proze\u00dfgegenst\u00e4nden der Kl\u00e4ger durch, und selbst beim Ver\u00ad\ngleich, der per definitionem ein Nachgeben beider Seiten einschlie\u00dft, gewinnt der Kl\u00e4\u00ad\nger im Durchschnitt doch mehr als der Beklagte. Am geringsten sind die Erfolgsaus\u00ad\nsichten des Kl\u00e4gers, wenn der Proze\u00df bis zum streitigen Urteil geht. Auch hier aller\u00ad\ndings m\u00fcssen wir nach Proze\u00dfgegenst\u00e4nden unterscheiden: R\u00e4umungsklagen und Kla\u00ad\ngen auf Unterhalt gewinnt auch im Urteil noch \u00fcberwiegend der Kl\u00e4ger, bei Prozessen\nnach Verkehrsunf\u00e4llen jedoch der Beklagte h\u00e4ufiger als der Kl\u00e4ger.\nIm Durchschnitt haben Kl\u00e4ger eine etwas bessere Erfolgsquote als Beklagte. Plausibel\nw\u00e4re die Erkl\u00e4rung, da\u00df sie ihre Aussichten besser antizipieren oder da\u00df sie seltener das\nRisiko eines unsicheren Proze\u00dfausgangs cingehen als Beklagte. Auch zeigen die Daten\nvieler Gerichtszweige, da\u00df auf der Kl\u00e4gerseite eher Organisationen, auf der Beklagten\u00ad\nseite eher Private stehen. Letztlich (und quantitativ am entscheidendsten) kommt hin\u00ad\nzu, da\u00df ein Teil aller Klagen bei v\u00f6llig sicherem Ausgang in erster Linie um des Voll\u00ad\nstreckungstitels willen angestrengt wird. Aus allen diesen Gr\u00fcnden zusammen k\u00f6nnen\nwir als brauchbare heuristische Regel eine durchschnittliche Erfolgsquote der Kl\u00e4ger\nvon etwa zwei Dritteln erwarten \u2014 weicht bei einem Proze\u00dfgegenstand, bei einem Viel-\nfachprozessierer oder bei einem Anwalt der Durchschnitt langfristig von dieser Faust\u00ad\nregel ab, dann sollte man nach einer Erkl\u00e4rung suchen.\nIn der Regel ist der wichtigste Erkl\u00e4rungsgrund in der Zusammensetzung von Proze\u00df\u00ad\ngegenst\u00e4nden zu finden. Eine \u2014 hier nur sehr verk\u00fcrzte \u2014 Aufz\u00e4hlung von gegen\u00ad\nstandsspezifischen Kontingenzen sei anhand unserer Daten versucht:\nVor dem Amtsgericht liegt die durchschnittliche Erfolgsquote der Kl\u00e4ger bei zwei\nDritteln, im streitigen Urteil sinkt sie unter die H\u00e4lfte31. Allerdings setzt sich ein sol\u00ad\ncher Durchschnitt aus sehr unterschiedlichen Werten bei den verschiedenen Proze\u00dfge\u00ad\ngenst\u00e4nden zusammen, und sie unterscheidet sich zudem noch je nach Parteikonstella\u00ad\ntion. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, da\u00df Organisationen, die vielfach\nprozessieren, gr\u00f6\u00dfere Erfolgschancen haben32, \u2014 teils weil diese ihre Erfolgschancen\nbesser voraussehen und damit die Mobilisierung der Gerichte gezielter einsetzen k\u00f6n\u00ad\nnen, teils weil sie praktische Vorteile besser nutzen k\u00f6nnen.\nWesentlich schlechter sind die Erfolgsaussichten der Kl\u00e4ger im Proze\u00df nach Verkehrs\u00ad\nunf\u00e4llen: Wenn hier nur 19 % einen vollen Erfolg im streitigen Urteil erringen, so liegt\ndas teilweise daran, da\u00df auch im Richterspruch Schuld und Schaden bei Verkehrsun\u00ad\nf\u00e4llen h\u00e4ufig aufgeteilt wird, jedoch gewinnen hier (als einziger Proze\u00dfart) die Beklag\u00ad\nten sowohl im streitigen Urteil als auch insgesamt ein wenig h\u00e4ufiger als die Kl\u00e4ger.\nWenn man nach einem Streitgegenstand sucht, bei dem das Gerichtsverfahren einem\n\n\n\n30   Vgl. zum .Verrechtlichungs\u2019begriff meinen Beitrag \u00fcber: Recht als gradualisiertes Konzept\n30   Vgl. zum .Verrechtlichungs\u2019begriff meinen Beitrag \u00fcber: Recht als gradualisiertes Konzept\n1980, S. 83\u201498.\n31   Steinbach 1979, S. 35; Bender/Schumacher 1980, S. 24 und S. 49.\n32   Wanner 1975, S. 293\u2014306 hebt dies deutlich hervor, ebenso Bender/Schumacher 1980, S.\n72 ff.; sowie Galanter 1974; Sarat 1976.", "spans": [{"start": 0, "end": 59, "label": "meta"}, {"start": 60, "end": 137, "label": "blank"}, {"start": 138, "end": 3264, "label": "text"}, {"start": 3265, "end": 3361, "label": "blank"}, {"start": 3362, "end": 3673, "label": "ref"}]}
{"text": "58                                    Erhard Blankenburg\n\n\nLotteriespiel gleicht, dann kommt die Auseinandersetzung nach einem Verkehrsun\u00ad\nLotteriespiel gleicht, dann kommt die Auseinandersetzung nach einem Verkehrsun\u00ad\nfall diesem Modell am n\u00e4chsten.\nUnterhaltsprozesse und R\u00e4umungsklagen dagegen weisen sowohl bei den vorzeitigen\nErledigungen wie im streitigen Urteil h\u00f6here Kl\u00e4gererfolge auf. Hier hat der Gerichts\u00ad\nproze\u00df in erster Linie die Funktion, bei klarer Rechtsposition und Beweislage dem\nKl\u00e4ger einen Titel zur Durchsetzung mit Rechtszwang zu verschaffen. Dabei kann man\neine interessante gegenl\u00e4ufige Korrelation bei der Aufl\u00f6sung von Mietverh\u00e4ltnissen im\nVergleich zu Arbeitsverh\u00e4ltnissen beobachten: R\u00e4umungsklagen eines Vermieters wer\u00ad\nden nicht nur h\u00e4ufig schon vorzeitig f\u00fcr den Kl\u00e4ger erfolgreich beendet, sie f\u00fchren\nauch im streitigen Urteil au\u00dfergew\u00f6hnlich h\u00e4ufig dazu, da\u00df der Kl\u00e4ger sich durchsetzt\n\u2014 unter anderem ein Resultat dessen, da\u00df der Beklagte m\u00f6glicherweise nur an dem\nZeitgewinn w\u00e4hrend des Prozesses interessiert ist. Die \u00fcbrigen Prozesse um Mietstrei\u00ad\ntigkeiten geben dem Kl\u00e4ger weit weniger Chancen, sie entsprechen etwa denjenigen\nvon Prozessen zwischen nat\u00fcrlichen Personen, wie sie nach einem Kaufvertrag entste\u00ad\nhen. Beim Arbeitsgericht ist die Klage des Arbeitnehmers gegen eine K\u00fcndigung dage\u00ad\ngen sehr viel weniger erfolgreich als andere Prozesse (die in der Regel auch vom Arbeit\u00ad\nnehmer betrieben werden). In K\u00fcndigungsklagen kann der Arbeitnehmer zwar h\u00e4ufig\nZugest\u00e4ndnisse des Arbeitgebers durchsetzen, seltener jedoch die Unwirksamkeit der\nK\u00fcndigung erreichen und noch seltener die Wiedereinstellung auch faktisch durchset\u00ad\nzen. Die Erfolgschancen dieser beiden Proze\u00dfarten entsprechen der Funktion des Ge\u00ad\nrichts, den Abbruch von Sozialbeziehungen zu regeln, nicht aber deren Aufrechterhal\u00ad\ntung erreichen zu k\u00f6nnen.- Da im Mietproze\u00df auf R\u00e4umung, im Arbeitsproze\u00df gegen\neine K\u00fcndigung geklagt wird, sind die Erfolgschancen umgekehrt proportional ver\u00ad\nteilt. Hinzu kommt, da\u00df im Mietproze\u00df auf der Kl\u00e4gerseite, im Arbeitsproze\u00df auf der\nSeite des Beklagten eher die sozial st\u00e4rkere Seite vertreten ist (es handelt sich hier um\neine gr\u00f6\u00dfere Organisation, diese sind nicht nur in einem Vertragsverh\u00e4ltnis, der ein\u00ad\nzelne Vertrag ist daher auch nicht in dem Ma\u00dfe existenziell wichtig)33. Im Arbeits\u00ad\ngerichtsproze\u00df mu\u00df der sozial Schw\u00e4chere sich gegen die Aufl\u00f6sung der Beziehung\nnachtr\u00e4glich rechtlich zur Wehr setzen, im Mietproze\u00df mu\u00df der sozial St\u00e4rkere die\nAufl\u00f6sung mit Hilfe des Rechts erwirken. Die Mobilisierungslast sch\u00fctzt also das Miet\u00ad\nverh\u00e4ltnis mehr als das Arbeitsverh\u00e4ltnis, bei den (ausgew\u00e4hlten) F\u00e4llen, bei denen es\nbis zum gerichtlichen Urteil kommt, wird dem Vermieter (mit einiger Zeitverz\u00f6ge\u00ad\nrung) danach meist das Recht der K\u00fcndigung zugesprochen. Die Klage demjenigen\nzuzumuten, der die Sozialbeziehung aufl\u00f6sen will, sch\u00fctzt zwar prinzipiell die Sozial\u00ad\nbeziehung, hebt jedoch nicht die M\u00f6glichkeit des sozial St\u00e4rkeren auf, eine solche Auf\u00ad\nl\u00f6sung mit Hilfe des Rechts durchzusetzen.\n\n\n\n2.3 Proze\u00dfausgang, Erfolgswahrscheinlichkeit und die Funktionen der Gerichte\n2.3 Proze\u00dfausgang, Erfolgswahrscheinlichkeit und die Funktionen der Gerichte\n\n\nAusgang und Erfolgswahrscheinlichkeit von Gerichtsprozessen lassen sich nur schwer\nAusgang und Erfolgswahrscheinlichkeit von Gerichtsprozessen lassen sich nur schwer\nkausal erkl\u00e4ren, da sie selbst reflexiven Mechanismen unterliegen. Auch die Beteilig\u00ad\n\n\n33    Blankenburg/Sch\u00f6nholz; Rogowski 1979, S. 78 ff.\n33    Blankenburg/Sch\u00f6nholz; Rogowski 1979, S. 78 ff.", "spans": [{"start": 0, "end": 57, "label": "meta"}, {"start": 58, "end": 138, "label": "blank"}, {"start": 139, "end": 3059, "label": "text"}, {"start": 3060, "end": 3138, "label": "blank"}, {"start": 3139, "end": 3216, "label": "text"}, {"start": 3217, "end": 3300, "label": "blank"}, {"start": 3301, "end": 3470, "label": "text"}, {"start": 3471, "end": 3525, "label": "blank"}, {"start": 3526, "end": 3580, "label": "ref"}]}
{"text": "Mobilisierung von Recht                             59\n\n\nten, vor allem die proze\u00dferfahrenen und die Rechtsanw\u00e4lte antizipieren ihre Erfolgs\u00ad\nten, vor allem die proze\u00dferfahrenen und die Rechtsanw\u00e4lte antizipieren ihre Erfolgs\u00ad\naussichten und sie k\u00f6nnen entsprechend ihrer Einsch\u00e4tzung der Rechtslage und ihrer\nErfahrung mit Verfahrensabl\u00e4ufen einsch\u00e4tzen, ob sich eine Klage lohnt oder nicht.\nWenn die Erfolgswahrscheinlichkeit als antizipierbar anzusehen ist, dann mu\u00df die\nMobilisierung der Gerichte unterschiedliche Funktion haben: wo der Kl\u00e4ger fast immer\nerfolgreich ist, geht es offensichtlich nicht mehr um eine im Ergebnis offene Aus\u00ad\neinandersetzung, sondern um die Beschaffung von Rechtskraft und die anschlie\u00dfende\nVollstreckung eines Anspruchs (im folgenden Rechtsdurchsetzung genannt). Nur wenn\ndie Erfolgswahrscheinlichkeit des Beklagten bei einem Streitgegenstand sich der des\nKl\u00e4gers ann\u00e4hert, so kann der Richter in seiner Funktion als Entscheider, aber auch\nals Vermittler auftreten. Wie weit er dabei aber die vermittelnde oder eher seine ent\u00ad\nscheidende Funktion herausstellt, h\u00e4ngt nicht nur vom Verhandlungsstil eines Rich\u00ad\nters ab, sondern vorab von der Konstellation, unter der das Gericht mobilisiert wurde:\nkennen sich die Parteien pers\u00f6nlich, sind sie beide an baldiger Entscheidung inter\u00ad\nessiert, dann geht es ihnen (auch) um eine Konfliktbeendigung, folglich gibt es ein\ngemeinsames Interesse, auf dem Vergleichsbem\u00fchungen aufbauen k\u00f6nnen; ist die Be\u00ad\nziehung eher anonym und kommt es keiner Partei auf den Zeitpunkt der Entscheidung\nan, so k\u00f6nnen sie die Unsicherheit in Kauf nehmen, die der Streit bis zur rechtlichen\nEntscheidung, und m\u00f6glicherweise in eine weitere Instanz mit sich bringt. Meist geht\nNichtvoraussehbarkeit auf eine schwierige Beweislage zur\u00fcck. Wenn dessen ungeachtet\nprozessiert wird, so nur in Konstellationen, wo auf der Kl\u00e4gerseite Parteien stehen, die\ndie Kosten eines Lotteriespiels nicht f\u00fcrchten. Das Letztere ist am ehesten bei Prozes\u00ad\nsen nach Verkehrsunf\u00e4llen der Fall, bei denen wir wissen, da\u00df der Anteil von Rechts\u00ad\nschutzversicherten besonders hoch ist.\nDie Funktion der Rechtsdurchsetzung, das hei\u00dft F\u00e4lle mit vorhersehbarem Ausgang\nund guten Erfolgschancen, findet man bei Unterhaltsforderungen, bei R\u00e4umungsklagen\noder auch, wenn Firmen Schulden eintreiben: bei den letzten beiden setzt sich der Kl\u00e4\u00ad\nger zu zwei Dritteln schon ohne streitige Verhandlung durch, bei allen dreien zielt er\nauf einen vollstreckbaren Titel. Geringe Vergleichsquoten zeigen hier an, da\u00df es \u00fcber\nden Konfliktausgang wenig zu verhandeln gibt, da\u00df aber die Beklagtenpartei durch ein\nrechtskr\u00e4ftiges Urteil gezwungen werden mu\u00df, ihrer Verpflichtung nachzukommen.\n\u00c4hnlich geht es bei Scheidungsprozessen um die Rechtskraft des gerichtlichen Urteils,\nwobei hier allerdings hinter dem Gerichtsproze\u00df Aushandlungsprozesse und Ver\u00ad\ngleiche stattfinden werden, denen vom Gericht lediglich in quasi-notarieller Funk\u00ad\ntion Rechtskraft verliehen wird. Auch hier kommt es auf das Urteil des Richters an,\nim Gegensatz zu dem Verfahren als Lotterie jedoch wird der Ausgang von den Par\u00ad\nteien meist vorher einverst\u00e4ndlich geregelt, wobei der Richter sie auf ihre Rechte hin\u00ad\nweisen, im \u00fcbrigen aber nur die Vereinbarung best\u00e4tigen kann. Wie weit der Richter\nsich in den Proze\u00df der Aushandlung einschalten kann, h\u00e4ngt wiederum von der sozia\u00ad\nlen N\u00e4he der Beziehung zwischen den streitenden Parteien ab: Bei der Aufl\u00f6sung\neiner Familie vor Dritten in der Gerichtsverhandlung wird eine Streitaustragung eher\nnur fingiert, da das Verfahren hier in intime Erfahrungsbereiche hineinreicht; vor dem\nArbeitsgericht dagegen kommen Sozialbeziehungen zur Sprache, die leichter vor Drit\u00ad\nten ausgetragen und \u00f6ffentlich behandelt werden k\u00f6nnen. Hier hat daher typisch der", "spans": [{"start": 0, "end": 55, "label": "meta"}, {"start": 56, "end": 141, "label": "blank"}, {"start": 142, "end": 3788, "label": "text"}]}
{"text": "60                                    Erhard Blankenburg\n\n\nRichter die gr\u00f6\u00dfte Chance, in seiner Funktion als Vermittler aufzutreten. Vereinfacht\nRichter die gr\u00f6\u00dfte Chance, in seiner Funktion als Vermittler aufzutreten. Vereinfacht\nkann man aus den beiden Dichotomien: der eindeutigen oder unsicheren Vorherseh\u00ad\nbarkeit der Rechtslage und der Einverst\u00e4ndlichkeit oder Strittigkeit zwischen den Par\u00ad\nteien ein Vierfelderschema aufstellen, dem grunds\u00e4tzliche Typen von Gerichtsfunktio\u00ad\nnen entsprechen:\n\n\n\nTabelle 6; Funktionen von Gerichtsprozessen f\u00fcr die Parteien\nTabelle 6; Funktionen von Gerichtsprozessen f\u00fcr die Parteien\n\n\nVorhersehbarkeit des Verfahrensausgangs\nVorhersehbarkeit des Verfahrensausgangs\nsicher                      unsicher\nProze\u00dfziel   einverst\u00e4ndlich    Quasi-notarielle Funktion      Vermittelnde Funktion\nder Parteien    strittig          Rechtsdruchsetzungsfunktion     Entscheidungsfunktion\n\n\n\n\n\nAllen vier Funktionen kann man bestimmte Streitgegenst\u00e4nde typologisch zuordnen,\nAllen vier Funktionen kann man bestimmte Streitgegenst\u00e4nde typologisch zuordnen,\njedoch k\u00f6nnen sie alle grunds\u00e4tzlich in jedem Gerichtsverfahren auftreten. Beobach\u00ad\ntungen von Verfahrensabl\u00e4ufen zeigen34, da\u00df Richter in ihrem Roll en verhalten typisch\nzwischen diesen Funktionen hin- und herwechseln, wobei sie einmal die Unsicherheit\neiner Entscheidung als Druckmittel f\u00fcr Vergleiche ausn\u00fctzen k\u00f6nnen, ein andermal\ndie Erkenntnisse aus Vergleichsbem\u00fchungen in das Urteil einflie\u00dfen lassen.\nDie grundlegenden Funktionen der Gerichte k\u00f6nnen also in jedem Proze\u00df auftreten.\nJe nach Streitgegenstand jedoch \u00fcberwiegt die eine oder andere Funktion. Hieraus\nlassen sich sowohl die Wahrscheinlichkeiten der Mobilisierung von Recht und Gerich\u00ad\nten als auch die Erfolgsaussichten von Kl\u00e4gern oder Beklagten erkl\u00e4ren. Die Varianz\ndes Ausgangs von Prozessen ist also weitgehend schon erkl\u00e4rt, wenn man die Konflikt\u00ad\nkonstellationen zu Beginn analysiert hat. Wenn man diese \u00bbkonstant* h\u00e4lt, kann man\nvon den Variablen der Verfahrensgestaltung selbst (also etwa dem Auftreten der\nParteien oder den Vorurteilen der Richter) nur noch eine residuale Varianz erwarten.\n\n\n\n3. Antizipation von Verfahren und die Mobilisierung oder Nicht-Mobilisierung von\n3. Antizipation von Verfahren und die Mobilisierung oder Nicht-Mobilisierung von\nRecht\n\n\nDas Interesse an der richterlichen Rechtsfortbildung hat die Jurisprudenz dazu ver\u00ad\nDas Interesse an der richterlichen Rechtsfortbildung hat die Jurisprudenz dazu ver\u00ad\nf\u00fchrt, an den Gerichten nur die streitigen Urteile und ihre Begr\u00fcndungen, und dabei in\nerster Linie diejenigen der h\u00f6chsten Instanz zur Kenntnis zu nehmen. Hier interessiert\nalleine der Richter als Entscheider. Auf diese Funktion bezieht sich auch die These der\n\u00bbLegitimation durch Verfahren', die in der Verstrickung der Parteien in eine verfah\u00ad\nrensm\u00e4\u00dfig geregelte Auseinandersetzung eine Chance der Akzeptanz von Rechtsent\u00ad\n\n\n\n34     Ebenda, S. 138-186.\n34     Ebenda, S. 138-186.", "spans": [{"start": 0, "end": 57, "label": "meta"}, {"start": 58, "end": 144, "label": "blank"}, {"start": 145, "end": 500, "label": "text"}, {"start": 501, "end": 563, "label": "blank"}, {"start": 564, "end": 625, "label": "text"}, {"start": 626, "end": 666, "label": "blank"}, {"start": 667, "end": 917, "label": "text"}, {"start": 918, "end": 1002, "label": "blank"}, {"start": 1003, "end": 2156, "label": "text"}, {"start": 2157, "end": 2239, "label": "blank"}, {"start": 2240, "end": 2327, "label": "text"}, {"start": 2328, "end": 2412, "label": "blank"}, {"start": 2413, "end": 2924, "label": "text"}, {"start": 2925, "end": 2953, "label": "blank"}, {"start": 2954, "end": 2981, "label": "ref"}]}
{"text": "Mobilisierung von Recht                             61\n\n\nScheidungen sieht35. Allerdings bezieht sich eine solche Theorie nur auf einen geringen\nScheidungen sieht35. Allerdings bezieht sich eine solche Theorie nur auf einen geringen\nTeil der F\u00e4lle, die vor Gericht abgehandelt werden. Betrachtet man den Gesch\u00e4ftsan\u00ad\nfall vor allem der erstinstanzlichen Gerichte, dann ist der einseitige Gebrauch von\nRecht zur Durchsetzung von Anspr\u00fcchen gegen den Willen anderer die am h\u00e4ufigsten\nauftretende Funktion. Gerichte werden hier in Anspruch genommen, weil sie ein\nMittel des legitimen physischen Zwangs darstellen, ohne da\u00df eine streitige Entschei\u00ad\ndung herbeigef\u00fchrt wird und h\u00e4ufig auch, ohne da\u00df die Gegenseite in eine tats\u00e4chliche\nAuseinandersetzung eintritt. Im Gegensatz hierzu steht die Funktion des Richters als\nVermittler, der die M\u00f6glichkeiten des Einverst\u00e4ndnisses zwischen beiden Parteien aus\u00ad\nlotet und hierzu durchaus au\u00dferrechtliche Gesichtspunkte einf\u00fchren und Folgen einer\nEntscheidung ber\u00fccksichtigen kann.\nAber auch die Betrachtung aller derjenigen F\u00e4lle, die vor Gericht gelangen, zeigt nur\ndie Spitze des Eisbergs von rechtlich-relevantem Verhalten. Quantitativ weitaus bedeu\u00ad\ntender sind diejenigen Konflikte, in denen keine der Parteien rechtliche Instanzen\nmobilisiert. Das Vermeiden von Recht wird erleichtert, je gr\u00f6\u00dfer das Vorfeld von Insti\u00ad\ntutionen ist, die Konflikte verarbeiten k\u00f6nnen; je nach Lebensbereich kann dieses\nselbst formal oder auch informell organisiert sein; je nach der Thematisierungsf\u00e4higkeit\nf\u00fcr Recht in diesem Vorfeld kann es Verweisbeziehungen zur Inanspruchnahme von\nRecht und Gericht aufweisen. Vergleicht man Konsumentenprobleme gegen\u00fcber Wirt\u00ad\nschaftsunternehmen mit denjenigen von B\u00fcrgern gegen\u00fcber Beh\u00f6rden, so wird deut\u00ad\nlich, da\u00df das Ma\u00df an rechtlicher Selbstfestlegung von Organisationen zugleich auch\nbestimmt, in welchem Ma\u00dfe sich ihre Klienten der Rechtsform bedienen m\u00fcssen. Ge\u00ad\nnerell gilt dabei, da\u00df gro\u00dfe Organisationen st\u00e4rker zur Festlegung formaler Regeln ten\u00ad\ndieren, kleine dagegen sich eher an informellen Regeln orientieren. Die Thematisie\u00ad\nrungsschwelle von Recht ist damit h\u00f6her gesetzt. Wird in einem Konflikt einmal Recht\nthematisiert, gibt es oft wenig M\u00f6glichkeiten, die damit eingeleitete .Verrechtlichung4\nr\u00fcckg\u00e4ngig zu machen. Daher gilt als generelle Verhaltensregelm\u00e4\u00dfigkeit, da\u00df schon die\nThematisierung von Recht dort wahrscheinlicher ist, wo Sozialbeziehungen unpers\u00f6n\u00ad\nlicher und Fremdheit h\u00e4ufiger wird. Jedoch ist ,.Verrechtlichung\u201c nicht immer schon\n\u00bb\u00bbVergerichtli chung\u201c. Es kann die Thematisierung von Recht auch zu einer geringeren\nInanspruchnahme von Gerichten f\u00fchren; dadurch, da\u00df formalisierte \u00c4quivalente im\nvorgerichtlichen Feld die Konfliktverarbeitung \u00fcbernehmen.\nF\u00fcr die Bildung von Theorien \u00fcber juristische Verfahren und ihre Legitimationswir\u00ad\nkung tut man gut daran, sich zu verdeutlichen, welche Selektion von potentiellen\nRechtsf\u00e4llen letztlich bis zu einer Rechtsentscheidung gelangt. Man kann dabei unter\u00ad\nstellen, da\u00df die potentiellen Beteiligten an solchen Verfahren deren Funktionen und\nFolgen antizipieren, und entsprechend deren Transparenz und ihrer F\u00e4higkeiten recht\u00ad\nliche Verfahren zu nutzen oder zu vermeiden trachten. Wirksam ist Recht dabei nicht\nnur, wo es tats\u00e4chlich vor Gericht mobilisiert ist, sondern schon dort, wo es als Dro\u00ad\nhung (explizit oder sogar implizit) wahrgenommen wird. Dabei k\u00f6nnen wir annehmen,\nda\u00df die (potentiellen) Parteien in Gerichtsprozessen die Chancen ihres Erfolges antizi\u00ad\npieren k\u00f6nnen und da\u00df sie die M\u00f6glichkeiten wahrnehmen, aus der Eskalation von\n\n\n35   Luhmann 1969.\n35   Luhmann 1969.\nO\\\nO\\\n\n\n\n\n\nErkl\u00e4rungsmodell der Variablen f\u00fcr die Mobilisierung von Recht\nErkl\u00e4rungsmodell der Variablen f\u00fcr die Mobilisierung von Recht\n\n\n\n\n\nErhard Blankenburg\nErhard Blankenburg\nMobilisierung von Recht                                  63\n\n\nweiterer Verrechtlichung \u201eauszusteigen\u201c. Das Modell von Variablen, von denen \u201eThe\u00ad\nweiterer Verrechtlichung \u201eauszusteigen\u201c. Das Modell von Variablen, von denen \u201eThe\u00ad\nmatisierung von Recht\u201c und \u201eMobilisierung von Gerichten\u201c abh\u00e4ngen, mag ihnen\nnicht explizit vor Augen stehen, aber ich gehe davon aus, da\u00df Alltagstheorien von\nproze\u00dferfahrenen Anw\u00e4lten und Parteien die Chancen des Erfolgs, die M\u00f6glichkeiten\nvorzeitiger Erledigung und sogar die Wahrscheinlichkeit, da\u00df es bei der blo\u00dfen Drohung\nmit einem Gerichtsproze\u00df bleibt, vorauszusehen suchen. Antizipiertes Verfahrensver\u00ad\nhalten ist dementsprechend eine Variable schon bei der Erkl\u00e4rung der Mobilisierung\nvon Gerichten und sogar der Thematisierung von Recht. Entsprechend k\u00f6nnen wir das\nModell zur Erkl\u00e4rung von Mobilisierung von Gerichten mit \u201eR\u00fcckkoppelungspfeilen\u201c\nversehen. Was sich in der Beschreibung als Sequenz darstellt, ist in den K\u00f6pfen der\nBeteiligten tats\u00e4chlich ein Modell gegenseitiger Abh\u00e4ngigkeiten, und dies in dem Ma\u00df,\nzu dem diese aus Erfahrung den Ablauf von Gerichtsverfahren vorwegzunehmen in der\nLage sind.\nAntizipation allerdings ist nicht nur relevant in einzelnen F\u00e4llen, in denen Parteien vor\nder Entscheidung stehen, ob sie Gerichte anrufen. Grunds\u00e4tzlicher ist die \u201eAntizi\u00ad\npation\u201c, die sich als institutionelle Vorgegebenheit niedergeschlagen: die Verf\u00fcgbar\u00ad\nkeit von informeller Konfliktbehandlung, alternativen Institutionen und Rechtsformen,\ndie Nachteile und Barrieren der Rechtsformen \u201estrukturell\u201c vorwegnehmen. Zuneh\u00ad\nmend gibt es in mobilen Gesellschaften sogar eine rechtliche Alternative der Vermei\u00ad\ndung von Recht: sich Sozialbeziehungen, wenn sie konfliktreich werden, g\u00e4nzlich zu\nentziehen. Gerade dort, wo Anonymit\u00e4t und Entpers\u00f6nlichung sozialer Beziehungen\nnach unserer Theorie eine Tendenz zunehmender Mobilisierung von Recht mit sich\nbringen m\u00fc\u00dfte, entsteht zugleich die M\u00f6glichkeit auszuweichen, sei es durch Wechsel\ndes Arbeitsplatzes, des Wohnortes oder auch der Familie, um damit nicht nur das Recht,\nsondern Konflikte insgesamt zu vermeiden.36 Gerichte tendieren daher in lose gef\u00fcg\u00ad\nten Vergesellschaftungen mit gro\u00dfer Mobilit\u00e4t dazu, zunehmend f\u00fcr die Aufl\u00f6sung von\nSozialbeziehungen und abnehmend f\u00fcr deren interne Regulierung mobilisiert zu wer\u00ad\nden.\n\n\n\nLiteraturverzeichnis\nLiteraturverzeichnis\n\n\nBaumg\u00e4rtei, Gottfried, 1976: Gleicher Zugang zum Recht f\u00fcr alle. K\u00f6ln.\nBaumg\u00e4rtei, Gottfried, 1976: Gleicher Zugang zum Recht f\u00fcr alle. K\u00f6ln.\nBender, Rolf und Rolf Schumacher, 1980: Erfolgsbarrieren vor Gericht. T\u00fcbingen.\nBlack, Donald, 1973: The Mobilization of Law, in: Journal of Legal Studies 2.\nBlankenburg, Erhard/Blankenburg, Viola/Morasch, Helmut, 1972: Der lange Weg in die Berufung,\nin: Bender, Rolf (Hrsg.): Tatsachenforschung in der Justiz. T\u00fcbingen.\nBlankenburg, Erhard, 1976: Nichtkriminalisierung als Struktur und Routine, in: G\u00f6ppinger,\nHans und G\u00fcnter Kaiser: Kriminologie und Strafverfahren. Stuttgart.\nBlankenburg, Erhard/Sessar, Klaus/Steffen, Wiebke, 1978: Die Staatsanwaltschaft im Proze\u00df straf\u00ad\nrechtlicher Sozialkontrolle. Berlin.\nBlankenburg, Erhard; Sch\u00f6nholz, Siegfried, unter Mitarbeit von Ralf Rogowski, 1979: Zur Sozio\u00ad\nlogie des Arbeitsgerichtsverfahrens. Neuwied und Darmstadt.\n\n\n\n\n36   F\u00fcr eine \u00fcberaus positive Bewertung des .Vermeidens1 vgl. Felstiner und Danzig/Lowy in Law\n36   F\u00fcr eine \u00fcberaus positive Bewertung des .Vermeidens1 vgl. Felstiner und Danzig/Lowy in Law\nand Society Review, vol. 9, 1974/75.", "spans": [{"start": 0, "end": 55, "label": "meta"}, {"start": 56, "end": 144, "label": "blank"}, {"start": 145, "end": 3601, "label": "text"}, {"start": 3602, "end": 3621, "label": "blank"}, {"start": 3622, "end": 3643, "label": "ref"}, {"start": 3644, "end": 3647, "label": "text"}, {"start": 3648, "end": 3714, "label": "blank"}, {"start": 3715, "end": 3778, "label": "text"}, {"start": 3779, "end": 3801, "label": "blank"}, {"start": 3802, "end": 3881, "label": "text"}, {"start": 3882, "end": 3965, "label": "blank"}, {"start": 3966, "end": 6148, "label": "text"}, {"start": 6149, "end": 6171, "label": "blank"}, {"start": 6172, "end": 6193, "label": "text"}, {"start": 6194, "end": 6265, "label": "blank"}, {"start": 6266, "end": 7105, "label": "bib"}, {"start": 7106, "end": 7204, "label": "blank"}, {"start": 7205, "end": 7338, "label": "ref"}]}
{"text": "64                                     Erhard Blankenburg\n\n\nBlankenburg, Erhard, 1980: Recht als gradualisiertes Konzept, in: Blankenburg, Erhard; Klausa,\nBlankenburg, Erhard, 1980: Recht als gradualisiertes Konzept, in: Blankenburg, Erhard; Klausa,\nEkkehard und Hubert Rottleuthner (Hrsg.): Alternative Rechtsformen und Alternativen zum\nRecht, Jahrbuch f\u00fcr Rechtssoziologie und Rechtstheorie Bd. 6. Opladen.\nCarlin, Jerome-, Jan Howard und Sheldon Messinger, 1967: Civil Justice and the Poor. New York.\nDanzig, Richard/Lowy, Michael, 1974/75; Everday Disputes and Mediation in the United States:\nA Reply to Professor Felstiner, Law and Society Review, vol. 9, pp. 675\u2014694.\nFeest, Johannes/Blankenburg, Erhard, 1972: Die Definitionsmacht der Polizei. D\u00fcsseldorf.\nFelstiner, William L. F., 1974/75: Influences of Social Organization on Dispute processing, in:\nLaw and Society Review, vol. 9, pp. 63\u201494.\nFelstiner, William L. F., 1974/75: Avoidance as Dispute Processing: An Elaboration, in: Law and\nSociety Review, vol. 9, pp. 695-706.\nGalanter, Marc, 1974: Why the ,Haves* Come out Ahead: Speculations on the Limits of Legal\nChange, in: Law and Society Review, vol. 9, pp. 95\u2014160.\nGeiger, Theodor, 1964: Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts. Neuwied.\nGessner, Volkmar, 1976: Recht und Konflikt. T\u00fcbingen.\nHilden, Hartmut, 1976: Rechtstatsachen im R\u00e4umungsstreit. Frankfurt/Main.\nJohnson, Earl, 1979; Thinking about Access: A Preliminary Typology of Possible Strategies. In:\nCappelletti, Mauro und Bryant Garth (Hrsg.): Access to Justice, Bd. III. Milan und Alphen/\nRijn.\nKoch, Hartmut, 1975: Das Gerichtsverfahren als Konfliktl\u00f6sungsproze\u00df \u2014 Einstellung von Kl\u00e4\u00ad\ngern und Beklagten zu Mietprozessen. Diss. Hamburg.\nLuhmann, Niklas, 1969: Legitimation durch Verfahren. Neuwied und Darmstadt.\nLuhmann, Niklas, 1980: Kommunikation \u00fcber Recht in Interaktionssystemen, in: Blankenburg,\nErhard; Klausa, Ekkehard und Hubert Rottleuthner (Hrsg.): Alternative Rechtsformen und\nAlternativen zum Recht, Jahrbuch f\u00fcr Rechtssoziologie und Rechtstheorie Bd. 6. Opladen.\nReifner, Udo, 1978: Rechtshilfebed\u00fcrfnis und Verrechtlichung am Beispiel einer Berliner Mieter\u00ad\ninitiative, Wissenschaftszentrum Berlin, IIM-dp/78\u201470.\nReifner, Udo, 1979: Gewerkschaftlicher Rechtsschutz \u2014 Geschichte des freigewerkschaftlichen\nRechtsschutzes und der Rechtsberatung der Deutschen Arbeitsfront von 1894\u20141945. Wissen\u00ad\nschaftszentrum Berlin IIM-dp/79\u2014104.\nReifner, Udo und Irmela Gorges, 1980; Alternativen der Rechtsberatung: Dienstleistung, F\u00fcr\u00ad\nsorge und kollektive Selbsthilfe, in: Blankenburg, Erhard; Klausa, Ekkehard und Hubert Rott\u00ad\nleuthner (Hrsg.): Alternative Rechtsformen und Alternativen zum Recht, Jahrbuch f\u00fcr Rechts\u00ad\nsoziologie und Rechtstheorie Bd. 6. Opladen.\nSarat, Austin, 1976: Alternatives in Dispute Processing in a Small Claim Court, in: Law and Socie\u00ad\nty Review, vol. 10, pp. 339\u2014375.\nSch\u00f6nholz, Siegfried, 1980: Arbeitsplatzsicherung oder Kompensation - Rechtliche Formen des\nBestandsschutzes im Vergleich in: Vereinigung f\u00fcr Rechtssoziologie (Hrsg.): Arbeitslosigkeit\nund Recht. Baden-Baden.\nSteinbach, E., 1979: GMD-Bericht, Manuskript. Gesellschaft f\u00fcr Mathematik und Datenverarbei\u00ad\ntung. Birlinghoven bei Bonn.\nWanner, Craig, 1975: The Public Ordering of Private Cases; Winning Civil Court Cases, in: Law and\nSociety Review, vol. 9, pp. 293-306.", "spans": [{"start": 0, "end": 58, "label": "meta"}, {"start": 59, "end": 154, "label": "blank"}, {"start": 155, "end": 3348, "label": "bib"}]}